Gibt es Facebook-Revolutionen, Jillian C. York?

© Uta Mühleis

Jillian C. York forscht am Berkman Center for Internet & Society der Harvard University über Politik, das Netz und Presse- und Meinungsfreiheit in der arabischen Welt. Im Interview spricht sie über soziale Netzwerke als Werkzeuge in politischen Konflikten und den unterschiedlichen Umgang der Plattformbetreiber damit.

Autor*in David Pachali, 21.04.11

Auf der re:campaign, der Konferenz für Online-Kampagnen, hielt Jillian C. York eine der Keynotes unter dem Titel „Tools of Change – How the Internet Helped Shape the Arab Spring”. Hier ein Interview, das im Anschluss an ihren Vortrag entstand.

RESET: Frau York, gibt es Facebook-Revolutionen?

Jillian C. York: Wir sollten sehr vorsichtig sein, das, was die Menschen in einigen arabischen Ländern erreicht haben, westlichen Unternehmen zuzuschreiben. Das aber tun wir, wenn wir von Facebook- oder Twitter-Revolutionen sprechen. Zugleich wird damit natürlich etwas wichtiges angesprochen.

Facebook und Twitter sind tatsächlich enorm wichtige Werkzeuge – sie haben definitiv eine Rolle in den Umwälzungen gespielt, wie übrigens auch die klassischen Medien. Aber die Anerkennung sollte den Menschen der Länder gelten, in denen sich die Umwälzungen ereigneten.

Hier ergeben sich auch neue Konflikte. Es passiert etwa immer wieder, dass einzelne Facebook-Seiten geschlossen werden – oder nicht geschlossen. Werden die Plattformen dadurch in Auseinandersetzungen hineingezogen, mit denen sie noch nicht umzugehen wissen?

Jillian C. York: Der Eindruck drängt sich auf. Man sollte aber genau hinsehen, denn es gibt durchaus Unterschiede, wie die Plattformen hier agieren. Nehmen wir etwa Google. Sie haben Speak-to-Tweet herausgebracht, durch das man sich per Telefon bei Twitter einschalten konnte, ein Werkzeug, mit dem die Menschen Informationen aus ihrem Land herausbekommen konnten. Sie haben verstanden, dass sie in diesen Auseinandersetzungen wichtig sind, das machte einen Unterschied. Auch bei Twitter hat man das scheinbar verstanden. Bei Facebook drängt sich dieser Eindruck nicht auf. Ähnlich bei Flickr.

Können die Nutzer noch darauf vertrauen, bei diesen Plattformen gut aufgehoben zu sein? Braucht es neue, freie Netzwerke?

Jillian C. York: Ich bin da gespalten. Auf der einen Seite haben wir natürlich die Kontrolle, wenn wir Plattformen selbst bauen. Wir können sagen, was wir wollen – das ist wichtig. Auf der anderen Seite: 500 Millionen Menschen findet man eben nur bei Facebook. Wenn man viele erreichen will ist Facebook einfach die richtige Wahl. Ein guter Titel, ein gutes Bild – und Nutzer kommen auf eine Seite. Oder nehmen wir Twitter: ein Hashtag, das in die trending topics kommt – schon folgen einem scharenweise Leute.

Ich habe Aktivisten auch schon oft geraten: Verlasst diese und jene Plattform, denn sie ist nicht sicher. Aber gleichzeitig denke ich, die Netzwerke darauf sind enorm wichtig. Man kann das Netzwerk nicht von der Plattform trennen.

Eine Alternative zu Facebook möchte Diaspora werden. Wie sehen Sie die Chancen?

Jillian C. York: Ich hoffe sehr, dass das Projekt Erfolg hat. Aber ich glaube nicht, dass sie eine mit Facebook annähernd vergleichbare Nutzerbasis aufbauen können. Diaspora wird eine Nische finden müssen, in der es wichtig ist.

Danke für das Interview.