Gershad vs. Ershad

Wie eine App den Menschen im Iran hilft, der dortigen Sittenpolizei aus dem Weg zu gehen.

Autor*in Simon Dupree, 05.05.16

Zu enges T-Shirt, zu locker sitzendes Kopftuch, zu viel Make-Up oder gar Küssen auf der Straße? All dies ist im Iran riskant und wird von der „Ershad“ mit Geld- oder sogar Haftstrafen geahndet. „Gashte Ershad“, so nennt sich die iranische Religionspolizei. Sie existiert um die strengen Moralvorstellungen der islamischen Republik, á la Kleidungs- und Benimmregeln, in der Öffentlichkeit durchzusetzen. Hierzu fahren die Ershad-Agenten regelmäßig Streife und errichten an belebten Stellen sogar Checkpoints.

Alleine 2014 wurden laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA nahezu drei Millionen Verwarnungen ausgesprochen; 200.000 der Verwarnten mussten zudem ein schriftliches Reuegeständnis abgeben und in 18.000 Fällen kam es zu Anklagen.

Auf der Webseite einer neuen App namens Gershad schreiben die Verantwortlichen: „Warum werden wir gedemütigt, weil wir tragen, was wir wollen? Die sozialen Netzwerke und Websites sind voller Fotos und Videos von unschuldigen Frauen, die von Ershad-Mitarbeitern geschlagen und zu Boden gestoßen wurden.“ (Quelle: Spiegel)

Doch um was geht es bei Gershad überhaupt?

Gershad soll Iranern dabei helfen, sich effektiv vor der Sittenpolizei zu drücken. Sie wurde von anonymen Programmierern entwickelt und funktioniert nach dem Crowdsourcing Prinzip: Nutzer tragen in einer interaktiven Karte ein, wenn sie einen Ershad-Agenten sehen. Wenn genügend Einträge desselben Standorts zusammentreffen, wird der Ort der Meldung mit der Figur eines Polizisten markiert. Liegt eine Meldung länger zurück und wird nicht mehr aktualisiert, verschwindet das Icon wieder.

Gershad funktioniert also ähnlich wie eine Blitzer-App: Nutzer können in Echtzeit darüber informieren, wo sich die Religionspolizei aktuell befindet und anderen dabei helfen, ihr gezielt aus dem Weg zu gehen.

In einem Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung unter 25 ist und ca. 20 Millionen Menschen die App Telegram zum verschlüsselten Chatten benutzen, stößt auch Gershad auf hohe Nachfrage. Laut der Entwickler sind die Server regelmäßig ausgelastet und die Nachricht von der neuen App verbreitet sich innerhalb sozialer Medien wie ein Lauffeuer. „Jeder Download ist ein Protest“, schreibt eine Userin über Twitter. „Die App ist sehr lustig, aber auch so traurig“, so ein junger Journalist aus Teheran.

Deutsche Welle belohnt den Mut der Gershad-Entwickler

Ungefährlich ist die plötzliche Popularität der App natürlich nicht. Die iranischen Behörden blockierten Gershad nach nicht einmal 24 Stunden nach dem Erscheinen der App und fahnden nach den Programmierern.   

Die mutigen Macher von Gershad erhielten als Anerkennung nun den Preis in der Kategorie „Tech for Good“ innerhalb des von der Deutschen Welle veranstalteten Wettbewerbs The Bobs – Best of Online Activism.  

Dieser Preis gebührt den Nutzern unserer App. Er hat zweifelsohne eine starke positive Wirkung auf die Menschen in Iran, die Begegnungen mit der Sittenpolizei meiden. Gershad ist mehr als eine Crowdsourcing-App. Gershad ist auch der Beginn eines Dialogs über die willkürlichen Praktiken der Sittenpolizei und über die dringende Notwendigkeit, die Bürgerrechte in Iran zu stärken“, sagten die anonym agierenden Initiatoren nach der Preisbenachrichtigung der Jury. (Quelle: Deutsche Welle

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