Genecis macht Biokunststoffe aus Lebensmittelresten

Genecis will Lebensmittelreste aus der Gastronomie in wertige Produkte umwandeln.

Pommes im Restaurant nicht aufgegessen – ab in die Tonne damit! Oder? Ein kanadisches Startup zeigt, dass es auch anders geht.

Autor Ana Galán Herranz:

Übersetzung Ana Galán Herranz, 16.04.18

Lebensmittelverschwendung ist ein riesiges Problem. Neben der sozialen und moralischen Komponente der Überproduktion und dem Wegwerfen noch essbarer Lebensmittel einerseits und den Millionen Hunger leidenden Menschen andererseits, ist Food Waste auch höchst problematisch für die Umwelt. Essensreste, die auf Mülldeponien landen, erzeugen neben CO2 auch Methangas – ein noch stärkeres Treibhausgas als Kohlenstoffdioxid. Es gibt bereits viele Initiativen, die dazu beitragen, dass weniger Essen im Müll landet, zum Beispiel SirPlus, ein Supermarkt für gerettete Lebensmittel. Und die App MealSaver, mit der Restaurants, Bäcker und Co nicht verkaufte Lebensmittel für einen schmalen Taler abgeben können, statt sie wegzuschmeißen. Oder auch die britische Brauerei Toast, bei der altes Brot nicht in der Tonne landet, sondern in Bier verwandelt wird.

Aber natürlich bedeuten weggeworfene Lebensmittel auch Verluste in finanzieller Hinsicht – und für die Beseitigung der organischen Abfälle müssen Restaurants und Cafés vor allem im nordamerikanischen Raum hohe Gebühren zahlen. Genau da setzt Genecis an. Das Ziel des kanadischen Unternehmens ist es, Essensreste aus der Gastronomie in Produkte mit Mehrwert umzuwandeln – und zwar zum gleichen Preis, zu dem die Lebensmittelabfälle sonst normalerweise beseitigt würden. Und in Zukunft, wenn sich das System entwickelt hat, soll der Preis möglichst sogar niedriger ausfallen.

Gegründet wurde das Unternehmen von einem Team junger Ecopreneure in Toronto. Laut ihrer Website haben sie die Vision, dass in der Zukunft „organische Stoffe nicht als Abfall, sondern als wertvolle Ressource gesehen werden, die wichtige Erzeugnisse wie Biokunststoffe, Biokraftstoffe und sogar pharmazeutische Produkte ermöglichen“.

Das Startup befindet sich noch in der Anfangsphase, ist aber bereits dazu in der Lage, Essensreste in Biokunststoffe auf Basis von Polyhydroxyalkanoaten (PHA) sowie organische Nebenprodukte umzuwandeln. In den Küchen der Restaurants und Cafés läuft dazu alles wie gehabt: Genecis sammelt die organischen Abfälle dort ein und transportiert sie ins Labor, wo mithilfe von speziellen Mikroorganismen die Umwandlung in Biokunststoffe stattfindet. Diese können für Verpackungen, biologisch abbaubare Flaschen, Material für den 3D-Druck oder sogar für medizinische und chirurgische Zwecke verwendet werden.

Hochwertige Produkte produzieren – und nebenbei CO2 ausgleichen

„Wir verwandeln Restaurantabfälle in Biokunststoffe“, so Luna Yu, Gründerin von Genecis, gegenüber den University of Toronto News. „Wir verdienen also einerseits Geld damit, dass wir von den Restaurants die Abnahmegebühr für die organischen Abfälle erhalten und andererseits damit, dass wir daraus Biokunststoffe und Kompost herstellen, die wir wiederum weiterverkaufen.“ 

Derzeit testet das Unternehmen seinen Produktionsprozess mit einem 1.000 Liter fassenden Test-Bioreaktor um zu prüfen, ob das, was unter Laborbedingungen erreicht wurde, auch in größerem Maßstab durchgeführt werden kann. Wenn die Anlage fertiggestellt ist, soll sie in der Lage sein, im Jahr 243 Tonnen CO2 zu kompensieren. „Konventionelle PKWs stoßen jedes Jahr 4,7 Tonnen CO2 aus, d.h., dass ein Restaurant die Emissionen von 51,7 Autos mit nur einer unserer Anlagen ausgleichen könnte“, so Yu gegenüber University of Toronto Engineering.

Genecis will Restaurants mit Großraumküchen zur Kooperation bewegen, indem es gleich hohe oder niedrigere Gebühren als Abfallunternehmen für die Abnahme der Essensreste erhebt und außerdem Cashback-Optionen in Aussicht stellt. Ein weiterer Anreiz ist der Tracking-Service, den Genecis anbietet. Damit können die Partnerrestaurants in Echtzeit ihren Beitrag zur Treibhausgasreduktion und Mülltrennung verfolgen.

Natürlich ist es enorm gut und wichtig, dass es Projekte gibt, die von vornherein versuchen, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden, beispielsweise die Initiative Feeding India, die übriggebliebenes Essen an Hungernde umverteilt, oder die solarbetriebenen Kühlsysteme in Nigeria, mit denen verderbliche Lebensmittel wesentlich länger gelagert werden können. Aber dort, wo Lebensmittelverschwendung unvermeidlich ist, könnte die Lösung von Genecis durchaus ein praktischer, skalierbarer und wirtschaftlich sinnvoller Ansatz sein.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien auf unserer englischsprachigen Seite.

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