Der Dieselskandal, Debatten über ein mögliches Tempolimit und Lungenärzte, die Grenzwerte für Stickoxide anzweifeln – um ein paar Tage später zuzugeben, sich verrechnet zu haben. Die Stimmung ist angespannt, sobald es um die Automobilindustrie geht. Luftverschmutzung ist und bleibt jedoch ein Thema, über das diskutiert werden muss. Laut WHO gehen jährlich 4,2 Millionen Todesfälle weltweit auf die Rechnung verschmutzter Luft. Diese Sterblichkeitsrate wird darauf zurückgeführt, dass Betroffene kleinen Partikeln in der Luft mit einem Durchmesser von 2,5 Mikrometer oder weniger (PM2,5) ausgesetzt sind, die Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen sowie Krebs verursachen können. Auch wenn das Umweltbundesamt seit 2008 Feinstaub mit der Partikelgröße PM2,5 in Deutschland regelmäßig misst, sind die Messungen auf partielle Messstationen begrenzt. Dabei liegt der Fokus besonders auf Ballungsräumen, also Gebieten mit viel Verkehr oder Industrie.
Stuttgart ist eines der Ballungsgebiete, das bei diesen Messungen regelmäßig schlecht dasteht. Das liegt unter anderem an der topographischen Lage der Stadt in einem Kessel und einem daraus resultirenden schlechten Luftaustausch. Die Folge sind regelmäßige Grenzwertüberschreitungen bei den Messungen von Feinstaub und entsprechend auch Feinstaubalarm, also der Appell der Stadt an Einwohner und Pendler, das Auto stehen zu lassen. Im Jahr 2019 wurde der Feinstaub-Grenzwert an der Messstation “Am Neckartor” bislang an 21 Tagen überschritten.
Das OK Lab Stuttgart, das Teil des Programms Code for Germany der Open Knowledge Foundation Germany ist, will diese Daten und Werte für die Bürger transparenter machen. Die Open Knowledge Foundation setzt sich für offenes Wissen und demokratische Teilhabe ein. Zwar sind die offiziellen Luft-Messwerte öffentlich zugänglich, jedoch nur von den ausgewählten Messstationen. Das OK Lab hat deshalb das Citizen-Science-Projekt luftdaten.info ins Leben gerufen. Citizen Science ist ein Begriff für die Beteiligung von Laien beim Forschen, also dem Zählen, Messen und Beobachten, die unerlässliche Methoden der Naturwissenschaften sind.
Auf der Website des Projekts wird Schritt für Schritt erklärt, wie man selbst ein Messgerät bauen und an der Hauswand installieren kann. Aus den übermittelten Daten wird dann eine sich kontinuierlich aktualisierende Feinstaub-Karte generiert, mit der sich ein Gesamtbild abbilden lässt – und das im Grunde weltweit. Die meisten Datenpunkte und damit auch selbst gebauten Messgeräte lassen sich aber momentan noch überwiegend in Deutschland, den Niederlanden und Belgien finden.
Durch das Projekt können jetzt nicht nur Bürgerinnen und Bürger konkret herausfinden, wie es um die Luftqualität vor ihrer Haustür aussieht. Es sorgt außerdem auch für eine große Anzahl von Daten, die ein vollständigeres und transparenteres Bild entstehen lassen – aus demletztlich bessere Handlungsempfehlungen für Politik und Zivilgesellschaft abgeleitet werden können.