Die EU-Gremien in Brüssel haben sich vor wenigen Wochen endgültig auf ein Plastikverbot geeinigt. Ab 2021 sollen damit Gegenstände aus der gesamten EU verbannt werden, für die es bereits günstige, plastikfreie Alternativen gibt. Dazu gehören neben Trinkhalmen und Einweggeschirr auch Luftballonstäbe, Wattestäbchen und To-Go-Becher aus aufgeschäumtem Polystyrol. Zusätzlich soll für ausgewählte Einmal-Produkte, die einen bestimmten Kunststoffgehalt haben – wie zum Beispiel Feuchttücher – eine Kennzeichnungspflicht gelten. Auch die Auflagen für Verpackungen und Getränkeflaschen sollen nachgeschärft werden. Gleichzeitig hat die EU-Kommission bereits ein weiteres Vorhaben auf den Weg gebracht, um den Verbrauch von Wasser-Plastikflaschen zu reduzieren: Frei zugängliche Trinkwasserbrunnen und der Anspruch auf billiges Leitungswasser in Restaurants sollen dazu animieren, Wasser aus dem Hahn statt aus der Plastikflaschen zu trinken.
Außerdem sollen Hersteller mehr in die Verantwortung genommen werden: Hersteller von Fast-Food-Verpackungen, Leicht-Plastiktaschen und Zigarettenfiltern sollen künftig von den Mitgliedstaaten an Kosten für die Müllentsorgung beteiligt werden und Umwelt-Aufklärungskampagnen finanzieren. Damit könnte die Zigarettenindustrie zum Beispiel an den Kosten für die Reinigung von Stränden oder Parks beteiligt werden.
Zudem sollen die Hersteller auch dafür sorgen, dass bis 2025 90 Prozent aller Plastikartikel getrennt gesammelt und recycelt werden. Bislang wird nach Angaben der EU-Kommission nur ein Drittel der Plastikabfälle eingesammelt und wiederverwertet. Der Rest landet überwiegend auf Müllkippen oder in der Umwelt.
Das Ziel des Maßnahmenkatalogs der EU ist es, eine Trendwende beim Plastikverbrauch einzuleiten – und dabei vor allem die Zunahme an Plastikmüll in unseren Meeren zu stoppen. So banal die Verbotsliste auch klingen mag – nach offiziellen EU-Angaben sollen damit jene Plastik-Artikel aus unserem Alltag verbannt werden, die mehr als 70 Prozent des in den Meeren schwimmenden Kunststoff-Mülls ausmachen. Immerhin soll sich zum Beispiel der jährliche Strohhalmverbrauch eines EU-Bürgers auf durchschnittlich 71 Stück belaufen – zusammengenommen macht das einen nicht unerheblichen Plastikberg aus.
Können wir uns also darauf einstellen, dass in den nächsten drei Jahren nach und nach Wattestäbchen und Einweg-Geschirr aus Plastik aus den Regalen sämtlicher Supermärkte europaweit verschwinden und sich stattdessen Alternativen aus Papier, Pappe, Holz- oder Obst- und Gemüseresten einfinden?
Das klingt erst einmal gut. Und dass erste Fast-Food-Ketten bereits Alternativen prüfen und Handelskonzerne wie Rewe oder Lidl schon den zügigen Abschied von Plastik-Einwegprodukten vorbereiten auch.
Aber: Die Debatte über das Plastikverbot ist mit dem EU-Beschluss noch nicht beendet. Die EU-Mitgliedstaaten müssen die Richtlinie bis 2021 noch in nationale Gesetze übertragen. Und während das Verbot von Strohalmen und Co bereits beschlossen ist, sind die anderen Maßnahmen wie Pfandsysteme in der „Pipeline“. Dazu kommt: Die Vergangenheit hat leider schon oft genug gezeigt, dass die Verwässerungsquote trotz sehr konkreter Beschlussvorgaben hoch sein kann. Nicht zuletzt stellt sich natürlich auch die Frage, wie weitreichend die neuen Auflagen tatsächlich sind.
Strohalme und Wattestäbchen? Peanuts!
Mal ehrlich: Wir sind umgeben von Plastik. Ein kurzer Blick um mich herum: Unter meinen Finger ein Laptop, daneben Smartphone, Kugelschreiber, diverse Kabel und Ladegeräte. Wenn ich den Blick hebe: die Schreibtischlampe, Stühle, noch mehr Kabel, Steckdosen. Bei alledem ist der Plastikanteil hoch. Und bei dir? Wenn du dich umschaust, wie viel Plastik fällt dir ins Auge?
Plastik durchzieht unser ganzes Leben. Schon mal probiert, in einem Standard-Supermarkt einkaufen zu gehen, ohne Plastik in irgendeiner Form in die Hand zu nehmen? Dein Einkaufswagen würde ziemlich leer bleiben. Und bis der Spülschwamm aus Kokosfaser, eine praktische und günstige Metalldose oder eine plastikfreie Uhr gefunden ist, können durchaus einige Stunden Recherche draufgehen. Plastikfrei zu leben ist – unter den aktuellen Bedingungen – eine echte Herkules-Aufgabe. Und ohne Frage erweist uns der Kunststoff vielerorts auch unersetzliche Dienste. Daher ist das, was wir brauchen, nicht ein loses Maßnahmensammelsurium, sondern einen Masterplan. Einen Masterplan, der klar definiert, wo leicht auf Plastik verzichtet werden kann, wie eine echte Kreislaufwirtschaft und schlaue Pfandsysteme aussehen und der das Recycling genauer unter die Lupe nimmt und daraus schlaue Regelungen ableitet.
Heike Vesper, Meeresschutzexpertin beim WWF Deutschland, sagt dazu: „Wegwerfplastik direkt anzugehen ist wichtig, aber die EU nimmt hier mit Einwegartikeln aus der Gastronomie nur die Spitze des Eisbergs ins Visier.“
Unnötig klein reden muss man das Plastikverbot der EU allerdings auch nicht. Denn der Schritt zeigt ganz klar, dass sich eine Trendwende bei unserem unbedachten Plastikkonsum vollzieht. Jetzt gilt es, an Fahrt aufzunehmen und noch weiter zu gehen.
Und letztendlich müssen wir auch da rein piksen, wo es wehtut: Es geht ganz grundsätzlich um unser Konsumverhalten allgemein. Denn zu viel ist zu viel, egal ob es dabei um Plastik, Holz oder welche Ressourcen auch immer geht…
Das Thema Plastik beschäftigt uns bei RESET schon lange, ob als Plastikinseln im Meer, als Mikroplastik sogar in der Luft, die wir atmen oder wie schlaue Alternativen aussehen können. Hier findest du eine Übersicht über alle Artikel zum Thema.