Wenn man Lebensmittel bewusst und nachhaltig konsumieren möchte, können Siegel und Zertifizierungen bei der Kaufentscheidung helfen. Aber nicht jedes Label zeigt tatsächlich an, wie ökologisch vertretbar oder fair ein Produkt ist. Wie soll man allein bei all den verschiedenen Bio-Siegeln den Überblick behalten? Der NABU (Naturschutzbund Deutschland) hat den NABU Siegel-Check entwickelt, eine App, die umweltbewussten Konsumenten genau diese Orientierungshilfe bieten soll. Im Interview erzählt Katharina Istel, NABU-Referentin für nachhaltigen Konsum, wie sie auf die Idee zur App kam und was sie von der Konkurrenz hält.
Worum geht es beim NABU Siegel-Check? Was sind die Funktionen der App?
Mit dem NABU Siegel-Check können Nutzerinnen und Nutzer Siegel abfotografieren und erhalten dann eine Bewertung aus ökologischer Perspektive. Das heißt: In unserer Datenbank sind Siegel und Label zu finden, die für Lebensmittel genutzt werden und wir geben dann eine Empfehlung – grün, orange oder rot – ob die Produkte einen ökologischen Mehrwert haben. Wir haben dabei in unserer Datenbank hauptsächlich Siegel, die im gesamten Bundesgebiet zu finden sind. Also keine Labels, die ein vereinzelter Hersteller nutzt, um ein Produkt als „besonders schmackhaft“ zu kennzeichnen. Die überregionalen Siegel sind in der Regel auch seriös. Wir haben aber auch Siegel, die keinen Aussage darüber machen, ob ein Produkt nachhaltig ist oder nicht. Über diese Siegel bieten wir zwar Informationen an, unsere Wertung ist aber neutral.
Welche Kriterien stecken denn hinter der Bewertung?
Unsere Kriterien haben wir gemeinsam mit unseren Fachexperten aufgestellt. Wir sind alle Siegel durchgegangen und haben geschaut, auf welchen Produkten sie zu finden sind und was in dem Bereich genau ausgesagt wird bzw. wo die Hotspots sind. Bei tierischen Produkten spielt beispielsweis die Gentechnik und das Futtermittel aus Naturschutz-Sicht eine entscheidende Rolle. Und dann haben wir geschaut, welche Standards die Siegel haben und das mit unseren Anforderungen abgeglichen.
Beim Testen der App ist mir aufgefallen, dass die Kamera-Funktion nicht immer ganz sauber funktioniert, wenn das Foto nicht so scharf ist oder die Lichtverhältnisse nicht so gut sind.
Das stimmt, technisch ist das ziemlich anspruchsvoll. Ein Problem ist auch die Netzwerkverbindung. Wenn man im Supermarkt steht, ist es damit ja häufig nicht weit her. Wir waren damals die ersten, die dafür eine Kamera-App entwickelt haben. Natürlich könnte man das technisch noch besser machen, durch den Scan von Barcodes zum Beispiel. Dafür müsste man allerdings Daten für viel Geld kaufen, das ist also auch eine Kostenfrage. Daher haben wir in der App eine Suchfunktion eingeführt, das heißt, ich kann auch zu Hause stöbern, welche Siegel empfehlenswert sind und mich dazu informieren. Und für Leute, die kein Smartphone besitzen, haben wir auch eine Webversion mit einer Siegel-Galerie.
Was war damals Ihre Motivation zu sagen: Wir brauchen eine Siegel-App?
Ich habe mir damals angeschaut, was es für Informationsangebote gab. Und ich fand, einerseits fehlte etwas, das man immer bei sich tragen konnte. Und andererseits fehlte etwas, bei dem man schnell und auf einen Blick – wie jetzt bei unserer App mit der Ampel-Kennzeichnung – erkennen konnte, ob ein Siegel seriös ist. Ob es also hält, was es verspricht und ob überhaupt der Anspruch da ist, dass die gelabelten Produkte einen ökologischen Vorteil haben. Und diese Lücke haben wir dann versucht im Bereich Lebensmittel mit unserem Siegel-Check zu füllen.
Inzwischen gibt es ja auch andere Apps, die einen Überblick über verschiedene Siegel bieten. Was halten Sie von der Konkurrenz?
Im Prinzip finde ich gut, dass es diese Angebote gibt. Wenn man diese vergleicht, sieht man aber auch, dass es unterschiedliche Bewertungen und Empfehlungen zu den verschiedenen Siegeln gibt. Das ist völlig normal – denn die jeweilige Bewertung hängt eben auch von den Kriterien ab, also davon, welche Faktoren in Bezug auf Umweltschutz, Tierhaltung und so weiter wie gewichtet werden. Letztlich ist es dann eben doch der Konsument, der entscheiden muss, auf welche Kriterien er besonderen Wert legt. Insofern finde ich andere Informationsmöglichkeiten auf jeden Fall positiv. Schwierig ist es, wenn die Informationen von Anbietern kommen, die nicht unabhängig und damit eben auch nicht seriös oder fachlich nicht ausreichend fundiert sind.
Warum haben Sie sich beim NABU Siegel-Check auf Lebensmittel konzentriert?
Ursprünglich gab es die Idee, die App noch zu erweitern, also zum Beispiel um den Bereich Textilien. Aber einerseits ist das technisch nicht so einfach zu lösen und dann gibt es im Textilbereich auch gar nicht so viele Labels. Letztlich konzentriert sich die App vor allem auf den Bereich Lebensmittel, da hier besonders viele Labels auf dem Markt sind, Kunden tagtäglich Lebensmittel kaufen und Anbau und Herstellung ganz unmittelbare Auswirkungen auf Natur und Umwelt haben.
Wenn es darum geht, den Alltag nachhaltiger zu gestalten – welche App würden Sie sich noch wünschen?
Im Konsumbereich wünsche ich mir oft eine Plattform, die überregional informiert, wo zum Beispiel Reparatur-Cafés zu finden sind, wo ich meine alten Elektrogeräte wie Laptops oder Smartphones weitergeben und damit etwas Gutes tun kann. Oder auch bei Textilien wünsche ich mir eine Übersicht, welche Abgabestationen tatsächlich einen positiven Nutzen haben und mit meinen Zielen übereinstimmen. Solche Informationsangebote gibt es zwar vereinzelt lokal, aber nicht für das gesamte Bundesgebiet.
Vielen Dank für das Gespräch!
Dieser Artikel ist Teil unseres RESET-Spezial zu nachhaltigem Konsum. Eine Übersicht aller Artikel zum Thema findest du hier: RESET App-Check: Korrekt einkaufen mit den richtigen Apps.
TATENDRANG ist das Interviewformat von RESET. Wir wollen wissen, wie unsere Interviewpartner zu ihren spannenden, innovativen und einzigartigen Projekten und Ideen aus den Bereichen Umwelt und globale Gerechtigkeit kamen, warum sie sich für genau das Thema einsetzen und wie schwer oder einfach sich das Projekt durchführen ließ. Damit wollen wir Ideen streuen, Projekte präsentieren und zu Aktionen anregen. Wir denken: Die Welt verändern kann jeder! Alle Interviews findest du hier: TATENDRANG