Eine Hülle aus Luft könnte die Schifffahrt revolutionieren

Bei Containerschiffe wie diesen könnte eine Hülle aus Luft die Reibung der Bordwände mit Wasser reduzieren.

Das Forschungsprojekt ARES arbeitet an der Herausforderung, wie Schiffe den direkten Kontakt mit Wasser vermeiden und so die Oberflächenabnutzung verringern können. Die Inspiration dazu lieferte ein Schwimmfarn.

Autor*in Thorge Jans, 29.04.19

Ob Kreuzfahrt- oder Containerschiffe, Privatyachten oder Segelboote: Schiffe benötigen Wasser, um sich fortzubewegen. Was profan und einfach klingt, führt an manchen Stellen jedoch zu einigen Problemen. Durch den ständigen Kontakt mit Wasser korrodieren die Bordwände schneller. Außerdem kommt es zur Bewuchsbildung, dem sogenannten „Fouling“: Algen, Muscheln, Seepocken und Krebse besiedeln nur zu gerne Schiffsrümpfe, was wiederum Gewicht und Reibung der Schiffe verstärkt und in der Konsequenz zu einem höheren Treibstoffverbrauch führt.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat in Zusammenarbeit mit den Universitäten Bonn und Rostock eine Lösung entwickelt, die hier Abhilfe schaffen soll. Unter dem Namen „Air-Retaining-Surfaces“ (ARES) forscht das Projekt an einer neuartigen Schiffsbeschichtung, die eben genau diese drei Probleme angeht: Reibung verringern, Korrosion vermeiden und Biobewuchs reduzieren.

Die neuartige Schiffsbeschichtung, welche auch „Air Coating“ genannt wird, soll dauerhaft eine Luftschicht unter Wasser halten und so den Reibungswiderstand der Oberflächen verringern. Gleichzeitig wird Biobewuchs vermieden, da die Lufthülle den Kontakt zwischen dem Schiff und dem Wasser verhindert und die bionische Schiffsbeschichtung schützt vor Korrosion und verhindert so die Freisetzung toxischer Substanzen aus Schiffslacken ins Meer.

Eine kleine Wasserpflanze als Inspiration

Vorbild und Grundlage für das Forschungsvorhaben war der Schwimmfarn Salvinia molesta: Durch ihre besondere Haarstruktur gelingt es der Unterwasserpflanze, auch unter Wasser zu atmen. Die Einzelhaare sind einerseits wasserabstoßend, jedes Härchen besitzt jedoch eine Spitze, die wie ein Klebepunkt am Wasser haftet und so die eingeschlossene Luftschicht dauerhaft stabilisiert. Dieses als Salvinia-Effekt bezeichnete Prinzip machten sich die Forscher des KIT zunutze.

„Nachdem wir den Salvinia-Effekt verstanden hatten, erkannten wir das enorme ökonomische und ökologische Potenzial einer technischen Umsetzung“, so Thomas Schimmel, Professor am KIT und wissenschaftlicher Koordinator des ARES-Projektes in einer Presseerklärung. „Wir konnten zeigen, dass durch die AirCoating-Technologie eine Reibungsreduktion von circa 20 Prozent erzielt werden konnte, da die Reibung zwischen Schiff und Wasser gegen die Reibung zwischen Schiff und Luft ersetzt wird“.

Das Konzept des Forschungsprojekts kann offenbar bereits überzeugen: ARES belegte den ersten Platz des Validierungspreises, einer Auszeichnung des Bundesministeriums für Forschung und Bildung (BMBF). Dieser Preis zeichnet herausragende Projekte aus, die überzeugend die Ergebnisse der Validierungsphase in die Verwertung und Anwendung gebracht haben.

Auch auf EU-Ebene wird die Air-Coating-Technologie schon systematisch weiterentwickelt: AIRCOAT, ein Forschungsvorhaben, welches ebenfalls von KIT-Koordinator Thomas Schimmel geleitet wird, setzt den Einschluss von Luftschichten unter Wasser durch ein selbstklebendes Foliensystem um. Die Folien werden an den Schiffen angebracht und schützen die Bordwände auf diesem Wege vor der Abnutzung durch Wasser.

Mit viel Wirkkraft eingesetzt werden könnte die Air-Coating-Beschichtung zum Beispiel in der Containerschifffahrt. Gerade dort, wo am meisten Schadstoffe produziert werden, könnte sich diese Technologie als äußerst nützlich erweisen. 

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