Ein Mikro-Stromnetz in Brooklyn demonstriert die saubere Energieversorgung via Blockchain

Solarpanele auf einem Hausdach in Brooklyn

In das Stromnetz, wie wir es kennen, sind unendliche Mengen Investitions- und Fördergelder geflossen. Das Ergebnis ist ein bisher alternativloses Ungetüm. Ginge es nicht besser? Und wenn ja: wie?

Autor*in Tristan Rayner, 23.05.18

Ohne Frage ist das zentrale Stromnetz bis heute eine große Errungenschaft in der Elektrotechnik. Die modernen und gut gewarteten Netze versorgen uns trotz gelegentlicher Ausfälle mit zu 99,9 % Verlässlichkeit rund um die Uhr mit Strom – und das sogar bei Regen, Wind, Hagel oder Sturm. Doch durch die zunehmende Produktion erneuerbarer Energien, sogar bis auf die Ebene der privaten Haushalte, werden die Forderungen nach einem neuen, dezentralen Stromnetz lauter.

Hier kommen „Microgrids“, also Mikro-Stromnetze, ins Spiel. Zu diesen Netzen liegen bereits wichtige Forschungs- und Entwicklungsergebnisse vor, die in die reale Planung der Microgrids einfließen können. Ein Vorzeige-Microgrid ist bereits im New Yorker Stadtteil Brooklyn entstanden: Mit Hilfe von Strom-Verteilungsnetzen und der Blockchain-Technologie können hier Nachbarn untereinander mit Energie handeln. Haushalte mit einer eigenen Solaranlage verkaufen über das System überschüssigen Strom an ihre Nachbarn – oder erwerben bei Bedarf den Strom von ihnen.

Das Konzept der Microgrids, die Angebot und der Nachfrage in sich selbst miteinander koppeln, aber auch Energie in das Hauptnetz einspeisen, entwickelt sich bereits seit mehr als einem Jahrzehnt. Die Logik dieser Netze kann auf ein einfaches Beispiel heruntergebrochen werden: Wenn du Solarpanele auf dem Dach hast und das Stromnetz ausfällt, bleiben bei dir möglicherweise die Lichter an, wenn dein Solar-Batteriespeicher ausreichend aufgeladen ist. Dein Nachbar ohne Photovoltaik-Unterstützung hat dieses Glück nicht – obwohl ihr an das gleiche Stromnetz angeschlossen seid, gehen bei ihm die Lichter aus. Ein Mikro-Stromnetz zielt darauf ab, die Stromverteilung in viel kleineren Bereichen als in einem zentralisierten Netz zu ermöglichen. Microgrids sind zwar standardmäßig mit dem Hauptnetz verbunden sein, können aber auch unabhängig vom Netz funktionieren, wenn ein größeres Problem auftritt. Es wäre dann in der Lage, Regionen auch dann mit Strom zu versorgen, wenn es zu größeren Ausfällen des Hauptnetzes kommt. Dein Nachbar könnte dann beispielsweise den von dir gespeicherten Solarstrom kaufen und säße nicht im Dunkeln.

Beispiele für diese dezentralen kleinen Stromnetze finden sich bereits auf der ganzen Welt, wie bei dem Pilotprojekt in New York. Die Region des Brooklyn Microgrids war eine der ersten Gemeinden, die durch eine Kooperation zwischen dem Startup LO3 Energy und dem deutschen Elektrogiganten Siemens mit einem Mikro-Stromnetz ausgestattet wurde.

Die Initiative bietet Gemeinden die Möglichkeit, mittels der Ethereum-Blockchain Strom zu kaufen und verkaufen. Grundsätzlich gelten die Prinzipien eines regulären Stromnetzes. Um jedoch sicherzustellen, dass es sowohl bei der Versorgung als auch bei der Nachfrage gerecht zugeht – vorausgesetzt die Stromeinheiten, wie beispielsweise 1 kWh, sind überall gleich definiert – wird für die Buchhaltung ein digitales Blockchain-Kassenbuch eingesetzt und Angebot und Nachfrage werden über so genannte Smart Contracts miteinander verbunden. Durch dieses System wird kein Hauptversorger mehr als Vermittler benötigt. Jeder, der mit dem Microgrid verbunden ist, agiert vielmehr als unabhängiger Verifizierer aller Kauf- und Verkaufstransaktionen. Er erhält außerdem eine unabhängige, überprüfbare Aufzeichnung aller Transaktionen und nutzt so eine der Stärken der Blockchain-Technologie.

LO3 Energy sucht stetig nach weiteren neuen Möglichkeiten, die es den Eigentümern von Photovoltaik-Anlagen ermöglichen, Energie unter Nachbarn zu handeln und so die Verteilung von grünem Strom neu zu gestalten. Seine aus Apps und verschiedenen Geräten bestehende Plattform nennt das Startup TransActive Grid.

Natürlich verbraucht auch die Datenverarbeitung innerhalb eines MicroGrids Strom. LO3 Energy hat dafür ein Gerät entwickelt, dass die Daten über einen kombinierten GPU-Prozessor verarbeitet, der mit einem wärmeabsorbierenden Phasenwechselmaterial verbunden ist. Die entstehende Prozessorwärme kann so mittels Kraft-Wärme-Kopplung sinnvoll als Heizwärme eingesetzt werden, statt nur als Abwärme an die Luft abgegeben zu werden.

Das Schöne an dem Brooklyner MicroGrid ist, dass es sich mittlerweile über zwei Jahre bewährt hat – auf unserer englischsprachigen Seite berichteten wir bereits kurz nach der Einführung über das Pilotprojekt. Seitdem ist das Netz gewachsen und gediehen und andere Microgrids, in Australien und in Wiens Viertel Zwei, sind auf der Grundlage der Technologie entstanden.

Es gibt keine richtige oder falsche Antwort darauf, wie Microgrids die Zuverlässigkeit der Stromversorgung, der Wirtschaftlichkeit von Generatoren und die gemeinsame Nutzung von Strom verbessern können. Der Einsatz von Blockchain ist nur eine mögliche Lösung. Erst kürzlich haben wir als weiteren Baustein für Mikro-Stromnetze das Startup SOLshare vorgestellt, das Peer-to-Peer-Technologien für die gemeinsame Nutzung von Energie in kleinen Gemeinden anbietet. Der Unterschied ist, dass die Blockchain und andere Destibuted Ledger Technologien allen im Stromnetz Beteiligten eine unbestechliche und transparente Aufzeichnung aller Energietransaktionen bietet. Gleichzeitig bedingt es jedoch zusätzliche Verarbeitungs- und Datenfreigabeanforderungen.

Um alle Interviews, Fallstudien und Hintergrundartikel des RESET-Spezials Blockchain zu lesen, klicke hier.

Dieser Artikel erschien im Original auf unser englischsprachigen Seite und ist eine Übersetzung von Laura Wagener.

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