Ecosia: Die Suchmaschine, die Bäume pflanzt

Wiederaufforstung mit nur einem Klick – kann es wirklich so einfach sein? Seit 2009 hat das nachhaltige Suchmaschinen-Unternehmen Ecosia dabei geholfen, fast sechs Millionen Bäume zu pflanzen. Ein guter Grund für ein Interview.

Autor Daniella Mattiuzzo:

Übersetzung Lydia Skrabania, 28.12.16

Das Konzept ist wunderbar einfach: Wenn man für seine Internet-Suchanfragen Ecosia benutzt, gehen 80 Prozent der dort durch Anzeigen generierten Einnahmen an Projekte, die sich weltweit dem Pflanzen von Bäumen verschrieben haben. Eine vollkommen alltägliche Handlung gewinnt damit also eine nachhaltige Wirkebene – ein verlockender Gedanke, oder?

Der Kopf dahinter ist CEO und Entrepreneur Christian Kroll, der das Sozialunternehmen 2009 gegründet hat. Das Ziel: Mit Ecosia einen Fuß in die Tür des milliardenschweren Suchmaschinen-Markes zu bekommen. Und dadurch weltweit Bäume pflanzen können.Auf einer Weltreise hatte Kroll erkannt, welche enorme Bedeutung Bäume für den Kampf gegen den Klimawandel, für funktionierende Wasserkreisläufe und auch für die Schaffung neuer Möglichkeiten für lokale Gemeinden besitzen.

Seit der Gründung ist Ecosia von einem dreiköpfigen Team auf 20 Mitarbeiter angewachsen und hat bisher mehr als 5,5 Millionen Bäume pflanzen können – nur mithilfe der durch Suchanfragen realisierten Einnahmen. Wir haben mit Nikola Maksimovic, dem UK Country Manager von Ecosia, über den Erfolg des Unternehmens und die Wichtigkeit von Transparenz gesprochen – und darüber, wie es ist, ein Stück vom Google-Kuchen abbekommen zu wollen.

© PUR Projet One of Ecosia’s tree-planting partners PUR Projet in Peru

Nikola, erzähl uns, wie sich Ecosia entwickelt hat.

Wir sind sehr langsam gewachsen und haben dabei das genutzt, was wir hatten. Wir sind also alles sehr nachhaltig angegangen. Wir haben jetzt bereits die Marke von fünfeinhalb Millionen Bäumen geknackt – ich denke, bis Ende des Jahres werden wir die sechs Millionen schaffen. Die erste Million hat Ewigkeiten gedauert und bis drei Millionen war es auch so, aber jetzt geht alles richtig schnell, das ist wirklich aufregend.

Welche Bedeutung hat das bezogen auf die Auswirkungen des Klimawandels?

In Hinsicht auf unseren reellen Impact sind fünfeinhalb Millionen Bäumen natürlich nicht besonders viel, wenn man bedenkt, wie viele Bäume tatsächlich gepflanzt werden müssten. Wir sind immer noch ziemlich klein, aber wir spenden 80 Prozent unseres Profits. Wenn Google machen würde, was wir machen, hätte das quasi über Nacht Auswirkungen. Unser Ziel ist, diese Art des Denkens und des Handelns anzuregen. Und unsere Nutzer werden auch dadurch inspiriert und sprechen darüber. Du kannst dich dafür entscheiden, Ecosia zu nutzen und wir haben uns dafür entschieden, 80 Prozent unserer Einnahmen weiterzugeben. Du musst nicht diesem strengen Geschäftsmodell folgen, wie es offenbar die überwiegende Mehrheit auf der Welt tut. Du kannst deine Werte anderswo setzen.

Um 2008 herum sind viele „grüne“ Suchmaschinen aus dem Boden geschossen. Was glaubst du, warum hat es Ecosia geschafft, sich zu erhalten, während andere gescheitert sind?

Ich bin nicht sicher. Ich denke, Zeit und Ort spielen eine Rolle. Aber was ich besonders an Ecosia mag und was es von anderen abhebt, ist der Baum-Zähler. Wenn du Ecosia zum ersten Mal nutzt, siehst du, wie die Zahl nach oben geht. Ich denke, das gibt den Leuten das Gefühl, dass sie Einfluss nehmen können. Und wir sind wirklich hinterher, zu unseren Pflanzprojekten zu kommen, dort unsere eigenen Aufnahmen zu machen, mit den Menschen zu sprechen, mit denen wir zusammenarbeiten. So können unsere Nutzer sehen, was wir tun und dass es wirklich funktioniert.

Wie wählt ihr die Projekte aus, mit denen ihr kooperiert?

Pieter, unser Experte fürs Bäume-pflanzen, ist seit Jahren in diesem Bereich tätig und hat einen Ökologie-Hintergrund. Er findet die Projekte. Und wir haben natürlich einen Leitfaden für das, wonach wir suchen, was wir erwarten und welche Werte die Projekte mit uns gemeinsam haben sollten. Sie müssen mit Locals zusammenarbeiten und ihnen einen fairen Lohn zahlen. Man muss also mit der Gemeinde vor Ort sprechen und herausfinden, ob das für sie funktioniert. Es gibt viele Projekte da draußen, die wirklich großartige Dinge schaffen und jedes unserer Projekte hat dabei einen etwas anderen Ansatz. In Madagaskar pflanzen sie so viele unterschiedliche Baumarten von und alle sind sehr nützlich und notwendig für die Ökologie, aber auch für die Menschen. Die nördliche Küste dort hat damit begonnen komplett wegzubröckeln, wegen der Abholzung. Aber die Wurzeln der Mangrovenbäume sind eben auch sehr wichtig für das gesamte Fisch-Ökosystem, das wurde dadurch beschädigt. Und Fisch wiederum ist das Hauptnahrungsmittel für die Menschen, die dort leben. Und einfach indem man diese Bäume wieder neu pflanzt, kehrt ein gesamtes Ökosystem zurück. Das hat langfristige Auswirkungen – auch wirtschaftliche für die dort lebende Bevölkerung. Wir halten also die Augen offen nach Projekten, die auch einen sozialen Wirkungsfaktor haben.

© The Eden Projects Mangove Trees in Madgascar

Kannst du erklären, wie genau ihr die Einnahmen generiert? Was ist, wenn man nicht auf die Anzeigen klickt?

Das ist ganz einfach: Die Werbenden zahlen und unser Partner Bing liefert die Anzeigen. Wenn also jemand darauf klickt, bekommen wir dafür Geld. Es gibt dabei Algorithmen, die Fake-Klicks erkennen können. Es funktioniert also nicht, wenn du versuchen würdest, ganz viel zu klicken…

Pflanzt all die Bäume!

(lacht) … Ja, die Leute versuchen das wirklich, aber das klappt so nicht. Und wenn man nicht auf die Anzeigen klickt, dann gibt es auch keine echten Einnahmen. Zwar gibt es es viele Nutzer, die uns schreiben: „Ich klicke niemals auf Anzeigen, also was soll das dann bringen?“ Aber diese Personen könnten auch einem Freund von uns erzählt haben und vielleicht installiert dieser dann Ecosia und klickt ab und zu mal auf eine Anzeige. Vordergründig geht es bei uns ums Pflanzen von Bäumen, aber es geht auch darum, eine Gemeinschaft zu schaffen, die realisiert, dass man eine Wahl hat und Dinge zum Guten verändern kann.

Wenn man Ecosia recherchiert, dann trifft man auf jede Menge Skepsis. Was glaubst du, woran liegt das?

Ich denke das liegt daran, dass es gerade in der Mode ist, dabei gesehen werden zu wollen, wie man Gutes tut. Vor allem große Unternehmen versuchen, da einen Fuß in die Tür zu bekommen. Da wird dann eine große Kampagne gemacht und eine bestimmte Summe Geld an ein Projekt gespendet. Und das ist insofern großartig, dass Menschen darüber sprechen. Aber das Ganze hat auch eine gefährliche Seite, nämlich wenn das dazu benutzt wird, um etwas zu verkaufen. Und ich glaube, den Leuten ist das schon bewusst. Wir bemühen uns wirklich sehr stark, so offen, ehrlich und einfach wie möglich zu sein. Das ist auch der Grund, weshalb wir versuchen, beispielsweise auf jeden Kommentar zu reagieren oder unsere Geschäftsberichte und -Belege online zu veröffentlichen, damit die Menschen die Möglichkeit dazu haben, sich das Ganze anzuschauen, wenn sie das wünschen. Wir möchten zeigen, dass es auch anders geht. Und wenn du einmal Ecosia vertraust, dann bist du vielleicht auch offener gegenüber anderen Alternativen – und schaust dir die Dinge genauer an.

So können Unternehmen Rechenschaft ablegen.

Und es funktioniert in beide Richtungen; auf eine Art bringt es uns dazu, dass wir uns ununterbrochen Gedanken machen: „Gehen wir das auf die offensichtlichste und transparenteste Weise an?“ und „Wie können wir dem Nutzer das besser vermitteln?“ Und es beeinflusst wirklich unsere Sichtweise, unsere Kommunikation und unsere Entscheidungen – was großartig ist, denn das ist die Art von Unternehmen, die wir sind und weiterhin sein wollen.

© WeForest Dead trees in the desert in Burkino Faso

Viele große Unternehmen wie Google und Microsoft haben sich in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt, wenn es darum geht, in Erneuerbare Energien zu investieren oder zu versuchen, den eigenen CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Welche Gründe gibt es für Nutzer, Ecosia anstelle eines dieser Unternehmen zu wählen, wenn sie solche Bemühungen unterstützen wollen?

Google spendet jedes Jahr Millionen an verschiedene Projekte, welche – allerdings nicht alle – die Tendenz haben, sich unter dem eigenen Dach zu befinden. Es ist natürlich gut, dass sie das machen, aber diese Millionen von Dollar, die jedes Jahr investiert oder gespendet werden, sind nur ein winziger Bruchteil ihrer Gewinne. Wenn wir deutlich größer wären und trotzdem 80 Prozent spenden würden, dann würden wir deutlich größere Wellen erzeugen als sie. Ich hinterfrage immer, ob solche Unternehmen davon getrieben sind, dabei gesehen werden zu wollen, wie sie Gutes tun oder weil sie tatsächlich einen Impac richtigen Impact erreichen wollen. Welche Schritte unternehmen sie, um sicherzustellen, dass das investierte Geld jedwede mögliche positive Wirkung erzielt – sei es in unterstützten Gemeinden, Projekten oder in der Umwelt?

Mit Ecosia hast du eine bessere Verbindung zu dem, was mit deiner Hilfe umgesetzt wird und du unterstützt ein Geschäftsmodell, dass wirklich das Modell der Zukunft sein kann und sollte. Wo Menschen also nicht nur daran denken, möglichst viel Geld für die sehr wenigen Menschen einzunehmen, die Anteile im Unternehmen besitzen, sondern denken: „Wie kann ich einen echten langfristigen Impact nicht nur für mich selbst, sondern auch für viele andere Menschen erreichen?“

Wo siehst du Ecosia in der Zukunft?

Unser Ziel ist es, bis 2020 eine Milliarde Bäume zu pflanzen. Und bezogen auf unser Wachstum – wenn wir es erreichen könnten, ein oder zwei Prozent des Weltmarktanteils zu bekommen, dann wäre das gigantisch riesig. Das klingt gar nicht nach so viel. Aber wenn man bedenkt dass diese Industrie von einigen wenigen Schlüsselfiguren dominiert wird… Es ist verrückt, aber ich glaube, wir können den Anteil von einem Prozent schaffen. Wir möchten den Menschen zeigen, dass sie eine Wahl haben, wenn es darum geht, etwas im Internet zu suchen. Es ist eine kleine Veränderung, aber du wirst dabei selbst zum Teil von etwas, tust damit Gutes und kannst das selbst eben auch sehen. Dadurch wird etwas so Langweiliges wie das Suchen im Internet zu etwas, das richtig Spaß macht.

© The Eden Projects Growing Mangrove trees for The Eden Reforestation Project in Madagascar

Dieses Interview wurde von Daniella Mattiuzzo geführt und erschien zuerst auf Englisch auf RESET International: TIMES Pieces: We Speak with Ecosia, the Tree-Planting Search Engine.

Spielerisch Bäume pflanzen – mit Trees of Life

Das Unternehmen Tree of Life verbindet Online-Planspiel mit der Wirklichkeit: Nutzer können auf der Online-Plattform ihren eigenen Wald erstellen. Der Clou: Jeder online gepflanzte Baum wird auch im echten Leben eingepflanzt.

Baumhaft schöne Ideen zur Bekämpfung rasanter Wüstenbildung

Die holländische Firma Groasis entwickelt denkbar einfache Lösungen zur Wiederaufforstung degradierter Böden - einem der größten globalen Problemfelder unserer Zeit!

12274579_10153309692002309_4917829983495216227_n
Treedom
Mal wieder einen Baum pflanzen? Mit Treedom geht das per Click

Baum kaufen, Platz finden, einbuddeln - und dann regelmäßig gießen. Bäume pflanzen klingt simpel, nimmt dann aber doch ziemlich viel Zeit in Anspruch. Mit Treedom geht das ganz einfach per Mausclick.

Drones and Satellites for Good – Satelliten gegen die Abholzung des Regenwaldes

Das Problem mit den größten Waldgebieten unserer Erde ist paradox: Zum einen verschwinden sie immer schneller von der Oberfläche unseres Planeten, zum anderen sind sie immer noch groß genug, damit illegale Abholzungen meist unbemerkt bleiben. Im Rahmen unseres RESET-Spezial Drones and Satellites for Good schauen wir uns Projekte an, die im Amazonas illegalen Rodungen mit Satelliten und Drohnen auf der Spur sind.

FarmVille in echt: Baum pflanzen per Mausklick.

Angeblich sollte ja jeder in seinem Leben einen Baum pflanzen. Bloß wo und wie? Für die Generation Internet, die oft ohne Garten und Schaufel auskommen muss, bietet Treedom jetzt eine einfache Lösung: Baum aussuchen, klick, pflanzen, klick, per GPS Daten und Fotos beim wachsen zusehen.

Pflanzen bald Drohnen Bäume?

Die Technologie der Drohnen wird immer raffinierter und kann auch zum Nutzen der Umwelt eingesetzt werden. Eine Non-Profit-Organisation sagt dem Waldsterben den Kampf an und entwickelt deswegen Drohnen, die im Jahr eine Milliarde Bäume pflanzen sollen!