Die Blockchain-basierte Plattform Textile Trust will Lieferketten der Textilbranche transparenter machen

Die einzelnen Schritte von den Rohstoffen bis zum fertig genähten Kleidungsstück sind für Verbraucher*innen meist unübersichtlich. Eine neue Plattform will Transparenz in die Lieferketten bringen.

Autor*in Leonie Asendorpf, 22.02.21

Übersetzung Leonie Asendorpf:

Ob Hose, T-Shirt oder Schal – wenn wir ein neues Kleidungsstück in den Händen halten, dann ist es schwierig, wenn nicht sogar unmöglich herauszufinden, wo und unter welchen Produktionsbedingungen und Umweltstandards es hergestellt wurde. Licht ins Dunkel bringen soll eine Reihe von Zertifikaten und Textilsiegeln, doch der Großteil der Textilunternehmen hat diese nicht integriert. Und noch immer gibt es in vielen Lieferketten der Textilbranche fehlende Umweltstandards oder menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen beim Ressourcenabbau oder der Produktion.

Eine Kooperation aus verschiedenen Unternehmen und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) plant, die Lieferketten in der Textilbranche auf einer offen zugänglichen Plattform zukünftig übersichtlicher zu machen. Auf Texile Trust sollen wichtige Parameter wie Produktionsstandards und Zertifikate angezeigt werden und damit langfristig zu mehr Transparenz im Materialfluss und vereinfachten Verwaltungsprozessen und Zertifizierungen beitragen.

Plattform benutzt Blockchain-Technologie

Die Plattform Textile Trust basiert auf einer Blockchain. Als „Blockchain“ wird eine kontinuierlich erweiterbare Liste von Datensätzen, „Blöcken“ (blocks) genannt, bezeichnet. Die Technologie ermöglicht es, die einzelnen Transaktionen innerhalb eines Prozesses (als Datenblöcke) chronologisch in Form einer Kette (chain) aneinander zu hängen und mit entsprechenden Inhalten zu füllen. Im Fall der Textillieferkette soll die Plattform Informationen über die jeweiligen Produktionsprozessschritte speichern. Beim Bau der Blockchain-basierten Plattform wird das Projekt vom Unternehmen IBM Blockchain unterstützt.

Federführend im gesamten Projekt sind die Unternehmen Cotonea und Kaya&Kato. Cotonea verarbeitet ausschließlich Biobaumwolle und stellt daraus nach eigenen Angaben nur fair produzierte Textilien her. Nachdem das Unternehmen selbst an dem Aufbau eigener Anbauprojekte für Biobaumwolle mitgewirkt hat, bringt es nun die inhaltliche Expertise mit ins Projekt. Das Unternehmen Kaya&Kato stellt Arbeitskleidung aus nachhaltigen Stoffen wie Biobaumwolle oder einem Polyester-Baumwollgemisch aus Meeresplastik her. Auf seiner Website gibt das Unternehmen einen Überblick über die Herkunft und Produktion der Kleidungstücke, die ausschließlich in Europa hergestellt werden.

„Ein Projekt wie Textile Trust muss alle Stufen der textilen Kette einbeziehen“, so Cotonea- Geschäftsführer Roland Stelzer. „Das Knowhow kommt entweder von mehreren Mitwirkenden, die ihre jeweiligen, bereits komplexen Produktionsschritte vertreten und ein gemeinsames Verständnis aufbauen müssen. Eine ambitionierte Aufgabe. Oder die Inhalte liefert einer der wenigen übergreifend arbeitenden Hersteller von Biobaumwolltextilien wie Cotonea, der auch die Schnittstellen kennt.“

Das Projekt, bestehend aus der Browseroberfläche und einer dazugehörigen App, soll bis Mitte 2022 fertiggestellt sein. Nachdem erstmal eine Demoversion entwickelt wurde, beginnt nun die Phase der Verfeinerung und es werden weitere Interessierte aus der Textilbranche gesucht, die sich am Entwicklungsprozess beteiligen.

© Cotonea So soll die App aussehen: Informationen über Herstellungsort, Transportwege und Produkt sollen beim nachhaltigen Einkauf helfen.

Lieferkettengesetz und Gefahr des Greenwashing

Mehr Transparenz in die Lieferketten der Textilbranche zu bringen ist ein wichtiger Schritt, um das Thema für Unternehmen selbst und für Verbraucher*innen zugänglicher und übersichtlicher zu machen. Doch noch wichtiger als die Transparenz ist es, dass sich tatsächlich etwas in der Textilbranche verändert und Unternehmen, die ihrer Verantwortung für Umwelt und Menschen nicht nachkommen, dafür zur Verantwortung gezogen werden. Schon seit längerem setzt sich das BMZ für die Durchsetzung eines Lieferkettengesetzes ein, um Umweltverschmutzung und Menschenrechtsverletzungen in den Lieferketten von Unternehmen einzuschränken. Bisher ist das Gesetz jedoch an fehlenden Mehrheiten und großer Kritik der Unternehmen gescheitert.

Die Idee hinter Zertifikaten und Textilsiegeln für Umwelt- und Menschenrechtsstandards sind ebenfalls ist gut. Es gilt jedoch auch genau hinzuschauen, was jeweils dahintersteckt. Über mögliche Schlupflöcher ist sich auch der Geschäftsführer von Cotonea, Roland Stelzer, bewusst: „Wir bei Cotonea sehen Vertrauenswürdigkeit – Trust – als einen der wichtigsten Werte“, sagt er. „Die Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten, deren Herstellung auf faire Weise und zum Vorteil aller Beteiligten geschieht, steigt. Das macht eine Fälschung von Zertifikaten, Greenwashing oder einfach nur das Weglassen von Fakten immer attraktiver.“ Deshalb sei es wichtig, mit „wasserdichten Trackingsystemen“ zu arbeiten. Das Projekt Textile Trust will genau das bieten: fälschungssichere Daten über die Herstellung und Produktion einzelner Produkte.

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