Von der Hauswand auf den Teller

In den Photobioreaktoren des Startups MINT engineering wachsen Speisealgen an Hauswänden

Das Dresdner Startup "MINT-Microalgae Intergration Engineering GmbH" setzt auf Urban Farming. Statt Äpfeln und Kartoffeln bauen die Ingenieure allerdings Algen an – und das an einer Berliner Hauswand.

Autor*in Laura Wagener, 03.11.16

Wer einmal sein Aquarium zu nah ans Fenster gestellt hat, kennt den Effekt: In kürzester Zeit wird das Wasser trüb und die Wände überwuchern mit grünem Flaum. Das, was in diesem Fall höchst unerwünscht ist, ist genau das Ziel von Mint Engineering-CEO Gunnar Mühlstädt. Sein Startup entwickelt sogenannte „Photobioreaktoren“, die das Wachstum von bestimmten Grün- und Blaualgenformen begünstigen und eine gezielte Ernte des Wassergemüses erlaubt. Die erste städtische dieser Anlagen befindet sich derzeit auf dem Euref-Campus im Berliner Stadtteil Schöneberg.

Multitalent Alge: Von der Sterneküche zum Klimaretter

Aus dem Bioreaktor des Berliner Campus‘ lässt sich die aus der Lebensmittelindustrie geläufige Blaualge Spirulina ernten. In anderen Systemen kann auch die Grünalge Chlorella kultiviert werden. Bei beiden handelt es sich im biologischen Sinne nicht um Pflanzen, sondern um sogenannte Cyanobakterien. In der Nahrungsmittelindustrie werden die Bakterien unter anderem wegen ihres hohen Proteingehaltes, der enthaltenen Vitamine und ihrer leberschützenden Eigenschaften als „Superfoods“ gelobt. Auch die in Berlin geernteten Algen (ein Kilo pro Tag) wandern in die Küche: Sternekoch Thomas Kammeier verarbeitet die von der Fassade geernteten Algen in dem zum Euref-Campus gehörigen Restaurant zu Spirulina-Schaum, grünen Smoothies oder Algen-Muffins.

© Food Culture Net Sternekoch Thomas Kammeier experimentiert mit Spirulina-Algen

Mint-Engineering Gründer Mühlstädt sieht seine Reaktoren als neue Dimension des Urban Farmings. Mit seiner Technologie könnte weltweit – zumindest wenn die Sonne scheint –Nährstoffmangel durch fehlende Proteine behoben werden. Außerdem können Algen in Form von Biodiesel als schnell herstellbarer und kostengünstiger erneuerbarer Energieträger eingesetzt werden und sind beispielsweise als vegane Alternative zu Gelatine vielfältig in der Lebensmittelindustrie einsetzbar.

Grünalgen – die „zweite Lunge“ des Planeten

Doch Algen sind deutlich mehr als ein Beitrag zu ausgewogener Ernährung: Der Wissenschaftler Prof. Dr. Thomas Friedl von der Georg-August-Universität in Göttingen bezeichnet die Cyanobakterien als „zweite Lunge“ der Erde. Denn genau wie Bäume wandeln Algen im Zuge der Photosynthese Sonnenlicht und Kohlenstoffdioxid zu Biomasse und Sauerstoff um. Dafür sind vor allem Grünalgen, wie beispielsweise die Chlorella, verantwortlich, die sich in den oberen Gewässerschichten der Ozeane ablagern. Im Vergleich zu Bäumen haben Algen den Vorteil, dass sie deutlich schneller wachsen und sich auch rasch industriell züchten lassen. Um in Städten CO2 zu reduzieren, könnten Abgase beispielsweise erst durch einen „Algenkathalysator“-geleitet werden, der eine beträchtliche Menge des CO2 umsetzen würde.

Bisher gab es für diese Ideen zwar noch keine praktikablen technischen Lösungen, dennoch hoffen Wissenschaftler auf die Alge als „Wunderkraut“ zur Bekämpfung des Klimawandels. Die Photobioreaktoren von Mint Engineering, zumal im städtischen Raum anwendbar, sind hier zumindest eine interessante Erweiterung der bisherigen Entwicklung zum Thema.
 

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