Countdown in Ecuador: Das Hoffen und Bangen der Waorani Indianer

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In wenigen Wochen wird die UN-Generalversammlung stattfinden. Dort wird unter anderem über das Schicksal des Yasuni Nationalpark in Ecuador debattiert - und möglicherweise werden folgenschwere Entscheidungen getroffen. Wird es der Weltgemeinschaft gelingen, den Yasuni Nationalpark retten?

Autor*in RESET , 29.08.11

Eigentlich wurde der Yasuni Nationalpark bereits 1989 von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt. Schließlich ist dieser Teil des ecuadorianischen Amazonasgebiet eine der artenreichsten Gegenden unseres Planeten – und darüber hinaus Heimat der Waorani und vieler unberührter Indianerstämme, wie die freiwillig in Isolation lebenden Tagaeri und Taromenane.

Der Yasuni Nationalpark ist durch den guten Erhaltungszustand ein wahrer Schatz. So wurden auf einer Fläche von 9832 km2 insgesamt 2.274 Baum- und Straucharten registriert, mehr einheimische Baumarten als in den USA und Kanada zusammen. 593 Vogelarten und 173 Säugetierarten konnten identifiziert werden – und mehr als 100.000 Insektenarten pro Hektar. Der zum großen Teil unbeinflusste Nationalpark im Gebiet des Yasuni- und Napoflusses ist auch bei Wissenschaftlern und Naturschützern aus aller Welt durch diese außergewöhnliche Vielfalt von großer Bedeutung.

Wären da nicht das ITT-(Ishpingo-Tambococha-Tiputini)Erdölfeld und die Interessen der Industrie. Das Erdölvorkommen wird auf etwa 930 Millionen Barrel geschätzt und entspricht 20% des nationalen Vorkommens. Für das kleine südamerikanische Land eine willkommene Einkommensquelle.

Doch selbst der Präsident Rafael Correa hat den Wert des Nationalparks erkannt und daraufhin 2007 die Yasuni-ITT-Initiative gegründet. So erklärt sich die ecuadorianische Regierung bereit, diesen einzigartigen Primärregenwald aktiv zu schützen, wenn die internationale Gemeinschaft 50% des entgangenen Gewinns in einen UN-Treuhandfond einzahlt – als solidarischen Ausgleichsbetrag. Die Industrienationen sollen Kompensationszahlungen leisten für den Verzicht Ecuadors auf die Exporteinnahmen. Bis Ende 2011 müssen bereits 100 Millionen Dollar in dem Yasuni-ITT Trust Fund eingegangen sein, damit die Regierung an der Initiative festhält.

Auch wenn einige Kritiker diese Forderung für unmoralisch halten, so ist ein internationales Schutzprogramm wie die Yasuni-ITT-Initiative einzigartig und innovativ – und die einzige Chance für das Überleben der Menschen, Tiere und Pflanzen in dieser Region. Auch auf klimapolitischer Ebene ist der Schutz des Yasuni Nationalpark relevant, denn durch die aufwendige Förderung des Rohöls würden 407 Millionen Tonnen CO2-Emissionen in die Erdatmosphäre gelangen. Mit einer erfolgreichen Implementierung des Yasuni-ITT-Projekts würden neue Modalitäten zur Vermeidung von Treibhausemissionen und soziale Entwicklung in den Einflussgebieten des Projekts mit Gesundheits- und Bildungsprogrammen und nachhaltigen Arbeitsplätzen entstehen. Außerdem kann sich Ecuador mithilfe dieses Fonds von einer auf Erdölförderung basierenden extraktiven Wirtschaft zu einem nachhaltigen Entwicklungsmodell mit breitangelegter Nutzung erneuerbarer Energiequellen, Respekt vor der Artenvielfalt und sozialer Gleichberechtigung entwickeln.

Das Projekt konnte mittlerweile international viele international anerkannte Unterstützer und Befürworter gewinnen. Ban Ki Moon, Generalsekretär der UNO, Prinz Charles, Michail Gorbatschow, Desmond Tutu, Muhammad Yunus (Friedensnobelpreisträger), Rita Levi Montalcini (Nobelpreisträgerin in Physiologie und Medizin) und viele andere prominente Persönlichkeiten setzen sich vehement für den Schutz dieses artenreichen Nationalparks ein.

Auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), die Andengemeinschaft (CAN), die Europäische Union und der Deutsche Bundestag – mit der einstimmigen Unterstützung aller dort vertretenen Parteien – haben die Initiative förmlich für gutgeheißen. Schließlich hätte ein erfolgreiches Schutzprogramm internationale Vorbildfunktion und wäre damit replizierbar in anderen megadiversen Ländern.

Doch nun droht die Initiative durch mangelnde finanzielle Unterstützung zu scheitern – mitverantwortlich dafür könnte die Entscheidung der aktuellen Bundesregierung sein. Denn während das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter Heidemarie Wieczorek-Zeul bis 2009 das Projekt noch öffentlich unterstützte und sogar Rafael Correa bereits eine finanzielle Beteiligung in Aussicht stellte, erteilte der Amtsnachfolger Dirk Niebel der Yasuni-ITT-Initiative eine Absage.

Aber noch sind die Würfel nicht gefallen. Dutzende internationale Organisationen wie Live Yasuni, SOS Yasuni oder Yasuni Green Gold machen auf das vielfältige Schutzprogramm aufmerksam – mittlerweile werden sogar Privatspenden angenommen um den Fördertopf bis Ende des Jahres zu füllen. Auch hierzulande laufen regelmäßig Petitionen, mit dem Sinn den Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel doch noch umzustimmen und von dem Sinn des Projekts zu überzeugen.

Jeder der den international ausgezeichneten Film „Crude“ von Joe Berlinger gesehen hat, weiß was auf dem Spiel steht. Zwischen 1967 und 1992 verwandelte Texaco (heute Chevron) unberührten Primärregenwald, von der Fläche dreimal so groß wie Manhattan, in eine toxische Mülldeponie mit über 350 Ölquellen. Aktivisten bezeichnen die Umweltkatastrophe oft als „Amazonas Tschernobyl“, die vielen Menschen, Tieren und Pflanzen das Leben kostete. Noch heute erkranken unzählige Bewohner an Krebs oder gebären Kinder mit Deformationen, da alles – das Wasser, der Boden und die Pflanzen kontaminiert sind. Indianerstämme wie die Kofan, Siona, Secoya und Quichua wurden aus ihrem Lebensraum vertrieben – und ihre Lebensgrundlage dauerhaft zerstört.

Denn der Urwald ist unwiederbringlich und ein kostbares Erbe der Mutter Erde.

Der Yasuni Nationalpark braucht uns – und wir brauchen den Yasuni Nationalpark.

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