Benzin aus der Brauerei: Forscher entwickeln Biokraftstoff aus Biertreber

Von 100 Litern Bier, die gebraut werden, bleiben rund 20 Kilo Getreide als Abfall übrig.

Einer Forschungsgruppe in Spanien ist es gelungen, aus einem Nebenprodukt beim Bierbrauprozess einen Kraftstoff zu gewinnen, der vergleichbar mit herkömmlichem Benzin ist.

Autor Ana Galán Herranz:

Übersetzung Ana Galán Herranz, 12.08.19

Bier ist eines der beliebtesten Getränke der Welt, die Produktion weltweit betrug im Jahr 2017 rund 1,95 Milliarden Hektoliter (ein Hektoliter entspricht hundert Litern). Und das beliebte Getränk könnte bald nicht nur unsere Mägen füllen, sondern auch den Tank unserer Autos: Einer Gruppe von Forschenden der Universität Valladolid, Spanien, ist es gelungen, aus einem Nebenprodukt des Brauprozesses, dem sogenannten Treber, eine Art Brennkraftstoff, genauer Butanol herzustellen. Treber ist ein organischer Feststoff, der übrig bleibt, nachdem das Malz, also gekeimte und getrocknete Getreidekörner, zu Bier verarbeitet wurde. Pro 100 Liter Bier, das gebraut wird, bleiben etwa 20 Kilo Biertreber übrig.

Die Brauindustrie sucht seit Jahren nach Möglichkeiten, dieses Nebenprodukt zu nutzen. Mal geht es an die Landwirte als Futterzusatz für die Tierhaltung, mal auf den Kompost – aber oft landet es auch einfach auf der Deponie. Doch es könnte eine wesentlich bessere Nutzung dieser Reste geben. Eine, die die Reste in ein neues Produkt verwandelt und die Brauindustrie so einen Schritt näher in Richtung Kreislaufwirtschaft bringt. Offenbar hat Biertreber nämlich durchaus das Potenzial, daraus einen Verbrennungskraftstoff zu gewinnen.

Forschende der Universität Valladolid beschäftigen sich seit rund zehn Jahren mit Biokraftstoffen, vor allem mit Biokraftstoffen der „zweiten Generation“.  Diese Kraftstoffe werden aus verschiedenen Arten von Non-Food-Biomasse hergestellt, u.a. aus Pflanzenmaterial und tierischen Abfällen. Seit 2012 untersuchen sie die Möglichkeit, Bioethanol aus Rote-Beete- und Melasse-Abfällen herzustellen – dann entdeckten sie die Vorteile von Biertreber.

„Wir fanden es interessant, weil wir in dieser Region viel Getreide anbauen und es zwei große Bierbrauereien gibt. Und es entstehen jetzt mit dem Boom von handwerklichen Bieren auch viele kleinere Brauereibetriebe“, so die Leiterin des Projekts, Mónica Coca. „Wir stellten fest, dass eigentlich nur ein Teil der Brauereiabfälle als Tierfutter verwendet wurde“.

Die Wissenschaftler*innen begann damit, an den Brauereiabfällen des lokalen Unternehmens Cerveza Milana und des multinationalen Unternehmens Mahou San Miguel zu forschen. Doch hier endete der Gedanke der Kreislaufwirtschaft noch nicht: Die Forschenden arbeiten auch daran, weitere Produkte aus dem Getreide zu gewinnen, darunter Präbiotika und Antioxidantien für die Lebensmittelindustrie. „Es geht darum, die Anlagen profitabler zu machen, nach Mehrwertprodukten zu suchen und die Verarbeitungskosten zu senken, um sie im industriellen Maßstab reproduzieren zu können“, so Coca.

Aus der Kneipe ins Labor

Um Bier zu brauen, braucht es mehrere Schritte, unter anderem das Maischen. Dabei wird Malz, also das gekeimte Korn, mit Wasser vermischt und die Stärke daraus gelöst. Die Mischung wird dann erhitzt und durch bestimmte Enzyme wird die Stärke in vergärbare und unvergärbare Zucker aufgespalten. Dann wird das Flüssige vom Festen getrennt: Hier bleibt der Treber als Abfallprodukt zurück.

Diese Verbindung hat aufgrund ihres hohen Zuckergehalts einen hohen Brennwert. Ihre Umwandlung in Kraftstoff erfolgt in einem vierstufigen Prozess. Zuerst wird die Struktur der Körner modifiziert, indem Hitze und Mikrowellenenergie angewendet und der Treber mit Wasser vermischt werden. Anschließend wird ein enzymatischer Katalysator zugegeben, um die Struktur der Cellulose vollständig abzubauen und die für die Fermentation und die Butanolproduktion benötigten Zucker freizusetzen. Abschließend wird das Butanol, das in der daraus entstehenden Mischung verdünnt wird, aufbereitet und gereinigt.

Ethanol ist zu einem führenden Biokraftstoff geworden und wird in vielen Ländern dem Benzin als Biokraftstoffzusatz zugesetzt, obwohl es einige große Nachteile hat. So hat beispielsweise Ethanol einen geringeren Energiegehalt pro Gallone als Benzin, was bedeutet, dass es die Kraftstoffverbrauchsleistung reduzieren kann. Darüber hinaus hat Ethanol eine korrosive Wirkung auf Automotoren und kann daher nicht in hohen Konzentrationen eingesetzt werden. Während der Heizwert von Ethanol 19,6 Megajoule pro Liter beträgt, ist der von Butanol 29, sodass man weniger Butanolkraftstoff benötigt, um die gleiche Menge an Energie zu produzieren. Butanol ist auch schwerer entflammbar als Ethanol, was die Handhabung erleichtert, und weniger korrosiv, was bedeutet, dass mehr davon in jede Gallone Benzin gemischt werden kann.

Tatsächlich gibt es Überlegungen, dass Autos in Zukunft vollständig mit reinem Butanol betrieben werden könnten – und zwar problemlos. Damit hat sich Butanol in jüngster Zeit den Ruf als „nachhaltiger Kraftstoff der Zukunft“ erworben.

Wie nachhaltig sind Biokraftstoffe wirklich?

Die ökologischen Auswirkungen von Biokraftstoffen werden viel diskutiert. Denn Biokraftstoffe verursachen ähnliche Kohlendioxidemissionen wie herkömmliche fossile Brennstoffe, allerdings absorbieren die für die Herstellung von Biokraftstoffen verwendeten Pflanzen beim Wachstum Kohlendioxid aus der Atmosphäre, was die Auswirkungen der Verbrennung des Kraftstoffs etwas mildert.

Viele Länder subventionieren die Verwendung von Biokraftstoffen, um Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Doch es gibt kritische Stimmen, die sagen, dass die Fokussierung auf Biokraftstoffe tatsächlich mehr schadet als nützt, da Landwirten auf der ganzen Welt (insbesondere in Südostasien und Südamerika), damit Anreize bekämen, Pflanzen für den Kraftstoffanbau statt für Lebensmittel anzubauen. Auch würden Wälder abgeholzt, um auf diesen Flächen Pflanzen für die Herstellung von Biokraftstoffen anzubauen. Diese Veränderung der Landnutzung in der Landwirtschaft verursacht tatsächlich mehr CO2-Emissionen, als Biokraftstoffe im Verkehrsbereich vermindern können. Eine wirkliche grüne Alternative zu fossilen Brennkraftstoffen können Biokraftstoffe damit nicht sein. Die Umstellung auf Biokraftstoffe der „zweiten Generation“, die aus Non-Food-Kulturen wie Algen, landwirtschaftlichen Rückständen oder Abfällen wie Biertreber gewonnen werden, könnte in Sachen Nachhaltigkeit aber durchaus eine Schlüsselrolle für den Übergang von konventionellen Verbrennungsmotoren zu Elektrofahrzeugen spielen.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original wurde zuerst auf unserer englischsprachigen Seite veröffentlicht.

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