Das Fraunhofer ISE, das größte Solarforschungsinstitut in Europa, hat einen Ansatz entwickelt, der die Energie aus der Sonne gleich doppelt nutzt. Dazu werden einige Meter über den landwirtschaftlichen Anbauflächen Solarmodule installiert: Unten wachsen die Pflanzen, oben wird Strom produziert. Das Fraunhofer-Institut nennt das „Agrophotovoltaik“ und hofft, dass damit Konflikte um Solarparks der Vergangenheit angehören.
2016 ist aus der Idee ein reales Projekt in Baden-Württemberg am Bodensee geworden: Auf einem Drittel Hektar wurde eine 194 kW-Solar-Photovoltaikanlage fünf Meter über dem Boden errichtet, darunter wachsen Bio-Kulturen. Der Projekttest lief 12 Monate. Winterweizen, Kartoffeln, Sellerie und Kleegras waren die ersten Nutzpflanzen, die getestet wurden. Mit halbtransparenten Glasmodulen wurde sichergestellt, dass mindestens 60 Prozent des normalen Sonnenlichts die Pflanzen erreichten. Die Pflanzen konnten leicht geerntet werden, da die Paneele in einer so großen Höhe angebracht waren, dass Traktoren und andere Geräte eingesetzt werden konnten. Auch wenn es bei einigen Nutzpflanzen zu Ertragseinbußen kam – 5,3 Prozent bei Kleegras und 18 bis 19 Prozent bei Kartoffeln, Weizen und Sellerie – war das einjährige Projekt dennoch ein Erfolg. Auf die gesamte Fläche bezogen spricht das Frauenhofer ISE von einer Effizienzsteigerung von über 60 Prozent.
Damit scheint diese Art der dualen Landnutzung eine Vielzahl von Vorteilen zu haben: Sie reduziert nicht nur die Ressourceneffizienz, sondern auch den Flächenwettbewerb. Sie eröffnet neue Flächen, die für den Ausbau von Solarparks dringend benötigt werden, und bietet den Landwirten eine neue, zusätzliche Einkommensquelle.
Nach dem Erfolg des ersten Projekts arbeitet Fraunhofer nun an Projekten in zwei weiteren Ländern – in Chile (pdf) und Vietnam -, in denen die Sonneneinstrahlung höher ist und das System daher noch mehr Wirkung zeigen könnte. In den chilenischen Gemeinden El Monte, Curacavi und Lampa wurden bereits drei 13kWh-Photovoltaikanlagen installiert und darunter Brokkoli und Blumenkohl gepflanzt. Diese Kulturen gedeihen am besten in teilbeschatteten Gebieten. Jede Solaranlage soll unter anderem Strom für Haushalte, Bewässerung und Kühlung bereitstellen und ist bei regionalen Stromausfällen zeitweise die einzige Stromquelle. Das Fraunhofer ISE bezeichnete die ersten Tests als „sehr positiv“. Das Projekt wird noch drei weitere Jahre laufen, um Best-Practice-Methoden zu entwickeln.
Bei dem zweiten Projekt in Vietnam wurde ein erhöhtes Sonnensystem über einer Aquakulturanlage errichtet, in der Garnelen in Teichen gezüchtet werden. Hier erzeugen die Module nicht nur Energie, sondern haben auch dafür gesorgt, die Garnelenproduktion zu steigern. Die Module bieten zusätzlichen Schutz vor Raubtieren und senken die Wassertemperatur (was das Garnelenwachstum fördert). Gleichzeitig verbesserten sie die Arbeitsbedingungen, da sie den Mitarbeitern Schatten spendeten und den gesamten Wasserverbrauch reduzierten.
Andere „Agrophotovoltaik“- oder „Solar-Sharing“-Projekte, bei denen Photovoltaikmodule in Symbiose mit der landwirtschaftlichen Produktion arbeiten, zeigen ebenfalls ermutigende Anzeichen; sei es in Frankreich, Italien oder Japan. Damit könnte die Agrophotovoltaik ein weiterer Baustein werden, um die Energiewende weiter voranzutreiben.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut. Das Orginal erschien auf unserer englischen Webseite.