3D-Druck: Eine Chance für die Nachhaltigkeit?

3D-Drucker tragen Materialien Schicht um Schicht auf. Das Ergebnis ist ein vollständiges dreidimensionales Objekt.

Der moderne 3D-Druck könnte nicht nur eine Revolution für Produktionsprozesse bedeuten, in ihm steckt auch großes Potenzial für die nachhaltige Entwicklung.

Autor*in Alex Mitchell, 12.03.18

Ursprünglich wurde 3D-Druck vor allem als Gimmick ohne praktischen Nutzen von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Doch in den vergangenen Jahren war die Technologie eine treibende Kraft hinter unzähligen innovativen grünen und sozial nachhaltigen Projekten. Allerdings machte sie auch negative Schlagzeilen, da man mit ihr auch sehr einfach gefährliche Gegenstände herstellen kann: So wurden beispielsweise 2013 die Spezifikationen für eine funktionstüchtige Schusswaffe ins Netz gestellt. Und auch Urheberrechtsfragen oder eventuelle negative Auswirkungen auf traditionelle Fertigung sind mit der neuen Technologie verknüpft.

In jedem Falle hat die Verwendung von 3D-Druck weitreichende Auswirkungen auf Verbraucher, Produzenten und politische Entscheidungsträger weltweit – und besitzt ein großes Potenzial für soziale und ökologische Veränderungen. Nicht zu vernachlässigen ist jedoch auch die Kehrseite: Die Technologie könnte, wenn sie unbedacht entwickelt und genutzt wird, auch ein Schritt hin zu mehr Konsum und Umweltzerstörung bedeuten.

3D-Druck – wie funktioniert das?

Beim 3D-Druck, in der Industrie auch als „Additive Manufacturing“ (AM) bekannt, werden Werkstoffe wie Kunststoffe oder Metalle nach einem computergestützten Design (CAD) Schicht für Schicht koordiniert aufgetragen und übereinander gelegt, bis ein dreidimensionales Objekt entsteht. Und je nach Konstruktionsdaten kann so praktisch alles gefertigt werden.

Die derzeitigen Preise für 3D-Drucker liegen zwischen mehreren hundert und mehreren hunderttausend US-Dollar. Damit ist ein solches Gerät für den einzelnen Konsumenten noch immer eine kostspielige Angelegenheit, aber die Technologie wird zunehmend erschwinglicher – und könnte bald durchaus eine machbare Option für den persönlichen Gebrauch werden.

In einer Zukunft, in der 3D-Druck für die breite Masse zugänglich ist, könnten sich Individuen einfach zu Hause das drucken, was sie benötigen – ohne dafür in ein Geschäft gehen zu müssen. Und Geschäfte wiederum müssten nicht tausende Produkte vorrätig halten. Kunden könnten einfach ein CAD des benötigten Produkts laden, wie z.B. ein Ersatzteil für ein Smartphone oder einen kaputten Kühlschrank – und es On-Demand drucken bzw. drucken lassen.

Der moderne Konsum könnte auf diese Weise vollständig revolutioniert werden. Auch die Schuh- und Bekleidungsindustrie müsste wohl mit dem heimischen 3D-Drucker konkurrieren. Denn die böten den Vorteil, dass Computermodelle den Konsumenten die gewünschte Kleidung exakt auf den Leib schneidern könnten.

„Vorräte würden zusammen mit Kosten für Transport, Abwicklung und Lagerung schrumpfen. Und Einzelhandelsgeschäfte könnten sogar ganz verschwinden, wenn Aufträge direkt von Herstellern erledigt werden können, die dann an die Haushalte ihrer Kunden liefern“, so Elizabeth Royte, wissenschaftliche Autorin beim Smithsonian Magazine.

Mit mehr öffentlich zugänglichen Druckvorlagen hätten Individuen das Potenzial, nicht nur zu konsumieren, sondern auch selbst zu gestalten – das wäre ein Umsturz herkömmlicher Fertigungsmethoden.

Der 3D-Druck und seine Anwendungsbereiche

1. Biotechnologie: Prothesen, Haut und Organe

Die Möglichkeiten des 3D-Druck für den Bereich Biotech klingen wie aus einem Science-Fiction-Roman. Vor allem in der Medizin wird die Technologie bereits jetzt breit eingesetzt, um personalisierte Prothesen, Knochenimplantate und Modelle für den chirurgischen Gebrauch herzustellen.

Und Unternehmen wie das schwedische Cellink gehen sogar einen Schritt weiter: Mit ihrer patentierten „Bio-Tinte“, einer Flüssigkeit, die mit menschlichen Zellen gemischt ist, kann die Firma menschliches Gewebe drucken. Bereits jetzt arbeitet das Unternehmen mit Forschungsunternehmen weltweit zusammen und der Gründer des Unternehmens ist überzeugt, dass seine spezielle Tinte innerhalb der nächsten 20 Jahren so weit sein könnte, um menschliche Organe für Implantationen zu drucken.

Andere Unternehmen arbeiten daran, menschliche Haut druckbar zu machen. Diese könnte nicht nur für Transplantationen bei Brand- und Unfallopfern eingesetzt werden, sondern auch für kosmetische Tests. Dies wäre vor allem eine gute Nachricht für Labortiere, die noch immer in der Forschung eingesetzt werden.

2. Biodiversität und humanitäre Hilfe

Bei der zentralamerikanischen Organisation Paso Pacifico wird die Technologie im Kampf gegen den illegalen Handel mit bedrohten Tierarten genutzt. Die Forscher stellen mittels 3D-Druck künstliche Schildkröteneier her – in denen GPS-Tracker verborgen sind. Auf diese Weise können sie Wilderer verfolgen und auch die Nester identifizieren, die am meisten gefährdet sind.

Im Bereich der humanitären Hilfe setzen einige NGOs 3D-Druck bereits ein, um ganz gezielt Versorgungslücken in Kriegs- und Katastrophengebieten zu füllen. Die Technologie ist zwar kostspielig, hat jedoch das Potenzial, Zeit und Geld zu sparen, um die logistischen Herausforderungen in Krisenregionen zu meistern. Das „Additive Manufacturing“ wird außerdem von Organisationen wie My Human Kit genutzt. Die in Frankreich ansässige NGO will CADs und Druckmaterialien für Prothesen für Menschen mit körperlichen Behinderungen zugänglich machen.

3. 3D-Druck und Circular Economy

Weltweit unternehmen Initiativen bedeutende Schritte hin zu einer Kreislaufwirtschaft und reduzieren (und recyceln) Plastikabfälle mit Hilfe der Technologie. So haben australische Forscher einen Weg gefunden, um gefährlichen Abfall in biologisch abbaubaren Biokunststoff umzuwandeln, der durch 3D-Druck für Medizinprodukte wie Stents und Nahtmaterial eingesetzt werden soll. Und ein Projekt in Amsterdam druckt aus Plastikabfällen Stadtmöbel für öffentliche Plätze.

Der Sportartikelhersteller Adidas kooperiert mit der Organisation Parley for the Oceans, die sich für die Säuberung der Meere einsetzt, und hat einen Laufschuh designt, der zum Großteil aus recyceltem Ozeanplastik besteht.

Zukunftschancen für die Nachhaltigkeit

„Additive Manufacturing“ und die zunehmende Verwendung von 3D-Druckern hätten das Potenzial, um den Alltagskonsum von Grund auf zu revolutionieren. Nicht nur medizinische und technologische Innovationen entspringen dem neuen Verfahren; auch das Alltagsleben könnte mithilfe von 3D-Druck in vielen Aspekten verbessert werden.

Allerdings sollten sowohl Verbraucher als auch Gesetzgeber kritisch bleiben, wenn es darum geht, den 3D-Druck – und seine potenziellen Nachteile – zu bewerten. Denn wie bei vielen sich schnell entwickelnden Technologien hinkt auch hier die Regulierung der Industrie um einige Schritte hinterher. Für die Zukunft folgen daraus zwei Szenarien: Eines, in dem es gelingt, die Technologie nachhaltig zu entwickeln und zu nutzen. Und eines, das daran scheitert.

Im ersten Szenario würde der 3D-Druck generell dazu beitragen, ein nachhaltigeres Konsummodell einer modernen Gesellschaft zu entwerfen.

  • Da 3D-gedruckte Objekte individuellen Bedürfnissen und Anforderungen exakt angepasst werden können, wäre es mithilfe der Technologie beispielsweise ein Leichtes, Ersatzteile herzustellen und so defekte Geräte wie Smartphones zu reparieren – die dann nicht mehr so schnell als Elektroschrott enden müssten. Auf diese Weise könnte die Lebensdauer bereits existierender Produkte verlängert werden – der Kauf eines komplett neuen Geräts wäre nicht nötig.
  • Laut Forschungsberichten hätte der 3D-Druck sogar das Potenzial, das Konzept „Müll“ komplett abzuschaffen, da 3D-Drucker aufgrund der Exaktheit des Druckprozesses selbst keinen Materialabfall produzieren.
  • Ein Trend hin zur Verwendung von Biokunststoffen als Alternative zu wenig nachhaltigen Kunststoffen auf Erdölbasis wäre ein weiterer Schritt zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.
  • Und da sich CAD-Dateien online laden lassen, könnten auch die Kosten und CO2-Emissionen für den Transport und die Lagerung von Produkten entfallen.

Das zweite Szenario ist weit weniger ideal.

  • Da 3D-Drucker vor allem Plastik für die Fertigung der Produkte nutzen würden, könnte der Konsum sogar dramatisch ansteigen.
  • Konsumenten könnten nicht nur leicht Ersatzteile für bereits existierende Produkte fertigen – sie könnten auch sehr einfach und unbegrenzt neue Produkte drucken.
  • Schnelllebige Trends könnten dazu führen, dass die Abfallberge massiv wachsen, da sich Individuen einfach die Produkte, die gerade in Mode sind, drucken und auch schnell wieder wegwerfen könnten.
  • Geplante Obsoleszenz, die künstliche Überalterung und der damit verbundene Wertverlust von Produkten, könnte zum Industriestandard werden, weil immer neue Spezifikationen erstellt, gedruckt und wieder verworfen würden – in einem Ausmaß und mit einer Geschwindigkeit, die alles andere als nachhaltig wäre.
  • Es gibt zwar Studien dazu, dass die Nutzung von 3D-Druck den Gesamtenergieausstoß in der Fertigung senken könnte, allerdings wird dieser Vorteil obsolet, wenn Produktion und Konsum insgesamt zunehmen.

Wir wissen nicht, wie die Zukunft aussieht, doch die Gefahr besteht, dass der persönliche Konsum und damit Produktion und Abfall von Einwegplastikprodukten steigen. Um dieses zweite Szenario und mit ihm eine Umweltkatastrophe zu verhindern, muss Druck auf Designer, Entwickler und Hersteller ausgeübt werden, damit die Langlebigkeit und Nachhaltigkeit von Produkten sichergestellt wird.

Obgleich der 3D-Druck große Chancen für die nachhaltige Entwicklung bereithält, gibt es also keine Garantien. Es ist an den Gesetzgebern, aber nicht zuletzt auch an uns Konsumenten, sicherzustellen, welches der beiden Szenarien Realität wird.

Autorin: Alex Mitchell, Übersetzung aus dem Englischen: Lydia Skrabania (März 2018)

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