Biomason: Kann Zement aus Bakterien das Baugewerbe aufmischen?

Die aktuelle Zementherstellung ist schmutzig, langsam und kompliziert. Mit einem neuen „Biozement“ will ein US-amerikanisches Startup das ändern.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 04.04.22

Zement ist das Lebenselixier der Urbanisierung – insbesondere für die expandierenden Metropolen im globalen Süden. Doch Zement ist nicht nur ein billiges, zuverlässiges Baumaterial, sondern gleichzeitig auch extrem umwelt- und klimaschädlich. Insgesamt trägt die Zementherstellung zu etwa acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen bei – eine enorme Menge für eine einzelne Branche.

Die Kohlenstoffemissionen stammen dabei aus mehreren Quellen. Zum einen benötigt Zement große Mengen an Wärme – und damit Strom -, aber auch der eigentliche Prozess der Zementherstellung – die Erhitzung von Kalkstein – setzt Kohlendioxid frei.

Das in den USA ansässiges Startup Biomason will diese Dynamik aufbrechen. Wie auch andere Projekte, über die wir in letzter Zeit berichtet haben, hat sich Biomason von der Natur inspirieren lassen, um eine neue Methode zur Herstellung von Zement und Beton zu entwickeln. Dabei setzt Biomason auf ein Verfahren, dass mit der Herstellung von Kalziumkarbonat in Korallenriffen und Muscheln vergleichbar ist.

Von Korallen inspirierter Zement

Im Wesentlichen kehrt das Startup für seinen bioLITH genannten „Biozement“ die traditionelle Methode, bei der Kalkstein erhitzt wird, um. Ausgangspunkt des Herstellungsprozesses sind recycelte Zuschlagstoffe, also kleine Gesteinsbrocken – in diesem Fall Granit -, die dann mit Zement zu Beton zusammengefügt werden. Diesem recycelten Granit wird ein spezieller Stamm natürlicher Bakterien zugesetzt, ein weltweit vorkommender Wildtyp-Stamm, der von Biomason nicht modifiziert wurde. Normalerweise bauen solche Bakterien über Hunderte oder gar Tausende von Jahren zementähnliche Materialien auf. Den Bakterien wird jedoch eine spezielle Lösung zugesetzt, die Kohlenstoff, Kalzium und Nährstoffe enthält, so dass sie das Aggregat innerhalb weniger Tage binden können.

Der „Biozement“ scheint mehrere deutliche Vorteile gegenüber herkömmlichem Zement zu bieten. Erstens benötigt er keine Wärme; die Bakterien können sogar bei Raumtemperatur arbeiten. Während Zement bis zu 28 Tage braucht, um seine volle Festigkeit zu erlangen, ist der Biozement bereits nach 72 Stunden fertig. Und darüber hinaus soll der Zement nach eigenen Angaben des Startups dreimal stärker als herkömmlicher Zement sein und zu 100 Prozent recycelbar. Für jedes Kilogramm Biomason-Zement, das anstelle von herkömmlichem Zement verwendet wird, soll ein Kilogramm CO2 eingespart werden können.

Derzeit produziert Biomason nur kleine Mengen seines Biozements in Form eines kleinen, ziegelähnlichen Bausteins, der für alle möglichen Anwendungen im Innen- und Außenbau eingesetzt werden kann. Da bioLITH leichter ist als normaler Stein, erleichtert das seinen Transport und seine Verwendung und die CO2-Emissionen durch schwere Transporte werden verringert. Außerdem kann es genauso verwendet werden wie herkömmliche Baumaterialien, so dass keine neuen Methoden, Schulungen oder Werkzeuge nötig sind.

Damit will Biomason den neuen Biozement in die bereits bestehende Bau- und Zementindustrie einfügen. Um die Einführung zu beschleunigen und die Skalierungskosten zu senken, könnte der Prozess zur Herstellung von Biozement auf bereits bestehende Betonproduktionsanlagen zurückgreifen.

Mittlerweile sind einige große Namen an Biomason interessiert, nicht zuletzt auch das US-Militär. Die DARPA (Department of Defence Advanced Research Project Agency) hat Biomason Mittel zur Verfügung gestellt, um seine Idee weiterzuentwickeln und den so genannten Engineered Living Marine Cement zu entwickeln, der eine Kombination aus sich selbst erhaltenden natürlichen Meeresmikroorganismen verwendet, die ihre Nährstoffe aus dem Meerwasser beziehen können. Dies würde zu einem sich selbst erhaltenden, selbstheilenden Zement führen, der sich ideal für Bauanwendungen unter Wasser eignet.

Eine andere militärische Anwendung – das etwas dramatisch benannte Projekt MEDUSA – hofft ebenfalls, Biomasons Fachwissen nutzen zu können, um ein bewegliches Zementprodukt zu entwickeln, das für den schnellen Bau von Betonstrukturen in abgelegenen Gebieten verwendet werden kann, wie zum Beispiel Landeplätze für Hubschrauber und VTOL-Flugzeuge.

Biomason hat aber auch einige zivile Aufträge in der Pipeline. Der Einzelhandelsriese H&M kündigte kürzlich an, dass er die Böden seiner Geschäfte mit bioLITH-Blöcken verlegen will.

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