BEEHAVE – Honigbienen als Bestäuber besser verstehen und schützen

Honigbiene auf der Suche nach Nektar und Pollen.

BEEHAVE simuliert die Entwicklung eines Honigbienenvolkes – darunter auch sein Nektar- und Pollensuchverhalten – unter verschiedenen Bedingungen.

Autor*in Luisa Ilse, 17.01.24

Übersetzung Lana O'Sullivan:

Rund 80 Prozent aller Pflanzenarten sind auf Fremdbestäubung durch verschiedene Insektenarten angewiesen (Umweltbundesamt, 2023). Zu ihnen gehört auch die Europäische Honigbiene (Apis mellifera). Weltweit geht die Zahl der Insekten jedoch aufgrund von menschlichen Einflüssen zurück. Dazu zählen massiver Pestizideinsatz sowie fehlende Futterpflanzen und der Verlust von Lebensräumen durch Monokultivierung.

Was passiert, wenn das Insektensterben einen kritischen Punkt überschreitet, kann man in der chinesischen Region Sichuan beobachten. Dort sind die natürlich vorkommenden Bestäuberinsekten durch starken Pestizideinsatz und ungünstige Obstsortenwahl so stark zurückgegangen, dass die Obstbäume aufwändig von Menschen per Hand bestäubt werden müssen. Außerdem fehlen die Insekten anderen Tieren als Nahrungsgrundlage, was zu weiteren tiefgreifenden Folgen im gesamten Ökosystemgeflecht führt.

Damit es zukünftig nicht zu ähnlichen Szenen in anderen Regionen auf der Welt kommt, sind Maßnahmen zum Schutz von Insekten wichtig. Ein Projekt, das sich des Problems annehmen und die Bedürfnisse der Honigbiene erforschen möchte, ist BEEHAVE. Mithilfe eines Simulationsmodells können die Auswirkungen unterschiedlicher Stressfaktoren einzeln oder in Kombination auf die Entwicklung eines Bienenvolkes untersucht werden. So lassen sich im Anschluss Handlungsempfehlungen für deren Schutz ableiten.

BEEHAVE Bienenvolk bei der Brutpflege. Bienenkönigin mit weißem Punkt auf dem Rücken in der Mitte.

Welche Faktoren untersucht BEEHAVE?

Das erfolgreiche Bestehen eines Honigbienenvolks wird von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Von großer Bedeutung ist dabei nicht nur das Geschehen innerhalb des Bienenstocks und in dessen Umgebung, sondern auch die Interaktionen mit anderen Lebewesen und der Umwelt. Die Wissenschaftler*innen von BEEHAVE versuchen mit ihrem Projekt die wichtigsten Faktoren zu identifizieren und im Modell zu integrieren.

Für ein Bienenvolk spielt die Populationsdynamik eine zentrale Indikatorrolle, welche durch verschiedene Parameter bestimmt wird. Dazu berechnet das Modell die Anzahl der Eier, Larven, Puppen und erwachsenen Bienen beider Geschlechter auf Grundlage der Eilegerate, Entwicklung und Sterblichkeit. Aktuell sind diese Simulationen nur für einzelne Honigbienenvölker möglich. Zukünftige Modellprojekte zielen jedoch auf die Berücksichtigung einer Vielzahl von Bienen- und Hummelvölkern unterschiedlicher Arten ab.

Innerhalb des Bienenstocks wird die Populationsdynamik beispielsweise durch den Parameter der Brutpflege beeinflusst. Die Larven müssen ausreichend bebrütet und von speziellen Ammenbienen mit proteinreichem Gelée royale versorgt werden. Erkennt das Modell ein Fehlen von Ammenbienen oder geeignetem Pollen für das Larvenfutter, hat das negative Auswirkungen auf die Populationsdynamik des Bienenvolkes.

Ein in den letzten Jahren immer stärker zunehmendes Problem für Honigbienen stellt die parasitisch lebende Varroamilbe (Varroa destructor) dar. Sie vermehrt sich in den Brutzellen und überträgt dabei schädliche Viren auf die Bienen. Das Modell berücksichtigt die höhere Sterblichkeitsrate der infizierten Bienen, die bis zum Verschwinden eines Bienenvolkes führen kann.

Außerhalb des Bienenstocks konzentriert sich das Modell unter anderem auf die Futterverfügbarkeit in der Umgebung. Jede Nahrungsquelle kann eine bestimmte Menge an Nektar und Pollen liefern, die von ihrer Größe und der Blütenform abhängt und je nach Jahreszeit variiert. Dabei wirkt sich die Entfernung zum Bienenstock auf die Wahrscheinlichkeit aus, von Kundschafterbienen gefunden zu werden.

Außerdem bildet die Futtersuche selbst einen wichtigen Parameter im Modell. Abhängig von den Wetterbedingungen erkunden Arbeiterbienen auf der Suche nach Nektar und Pollen die Umgebung. Dabei beruht ihr Vorgehen auf den Bedürfnissen des Bienenvolkes, ihrer individuellen Kenntnis der Nahrungsquellen und der Effizienz der Futtersuche.

BEEHAVE
BEEHAVE
BEEHAVE-Simulationsmodell mit einigen Parametern.

Indem all diese Parameter erhoben werden, erhalten Imker*innen ein detailliertes Bild über den Zustand und die Zukunft ihrer Bienenvölker. Gleichzeitig lässt sich das Modell durch einen virtuellen Imker trainieren, indem dieser das Bienenvolk gegen Varroamilben behandelt, Honig erntet, das Volk füttert sowie deren Ausschwärmen zulässt oder verhindert.

Hohe Bestäuber- und Pflanzenbiodiversität als Schlüssel für die Zukunft

Das BEEHAVE-Projekt kann zum Erhalt von staatenbildenden Bestäuberinsekten wie der Honigbiene beitragen. In Zusammenarbeit mit Landwirt*innen könnten diese mithilfe des Simulationsmodells die Lebensweise der Honigbiene auf ihrem Feld besser verstehen und ein Gespür für deren Schutz entwickeln. Die vom Modell abgeleiteten Bedürfnisse der Bienen könnten im Anschluss bei der Bewirtschaftungsplanung berücksichtigt werden und so die Bestäubungsleistung positiv beeinflussen.

Dennoch wäre der Fokus auf nur diese Insektengruppe wenig nachhaltig gedacht. Eine hohe Insektenvielfalt auf Anbauflächen ist der Schlüssel für eine möglichst naturnahe Landwirtschaft mit geringem Pestizideinsatz. Das liegt daran, dass ein ausgeglichenes Ökosystem häufig robuster ist und sich weitgehend selbst regulieren kann. Krankheiten und Schädlinge haben dann weniger Chancen sich stark auszubreiten.

„Wildlebende Insekten haben in allen Anbausystemen einen positiven Effekt auf den Fruchtansatz. Eine größere Zahl von Honigbienen erzielt diesen Effekt nur bei 14 Prozent der untersuchten Anbauten“, erklärt Alexandra-Maria Klein vom Institut für Ökologie der Uni Lüneburg. Es hat sich gezeigt, dass 100 Honigbienen plus 50 Wildbienen ein Feld effektiver bestäuben können als 150 Honigbienen. Die wildlebenden Insekten erreichen mit der gleichen Zahl an Blütenbesuchen einen doppelt so hohen Fruchtansatz wie Honigbienen.

Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen: Einerseits ist sie stark von den Auswirkungen des Klimawandels und des Arten- und Biodiversitätsverlust betroffen. Andererseits trägt die Landwirtschaft selbst zu den Problemen bei.
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Damit einher muss allerdings auch ein Wechsel von konventioneller Monokultivierung hin zu ökologischeren Anbaumethoden wie der Permakultiverung mit reicher Pflanzenvielfalt gehen – also eine weitreichende Transformation des Agrarsektors. Zumindest einen Anfang könnte ein ausreichend breiter Blühstreifen mit geeigneten Pflanzenarten am Rand eines Feldes darstellen. Denn eine hohe Insektenbiodiversität braucht unterschiedliche Nahrungsquellen und Unterschlupfmöglichkeiten. Und auch für die Honigbiene gilt: „Artenvielfalt ist sehr wichtig. Honigbienen können nicht in Monokulturen überleben – weder im Modell noch in der Realität“, berichtet Doktor Matthias Becher von BEEHAVE.

Nutzt man also ökologische Landwirtschaftskonzepte in Kombination mit digitalen Lösungen wie BEEHAVE zum Erhalt von Bestäuberinsekten, könnte sowohl die Landwirtschaft als auch der Naturschutz davon profitieren. So wäre man langfristig besser vor Szenarien mit künstlicher Bestäubung wie in China geschützt und müsste weniger eigens für den Erhalt der Insektenbiodiversität initiierte Schutzprojekte umsetzen – Landwirtschaft und Naturschutz würden dann Hand in Hand gehen.

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Dieser Artikel gehört zum Dossier „Agrarwende – Die nachhaltige Landwirtschaft von morgen“. Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers zum Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ erstellen.

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