Ein Gewicht nach oben zu ziehen, kostet Energie. Lässt man dieses Gewicht wieder nach unten, wird eben diese Energie wieder freigesetzt. Auf diesen simplen Gedanken baut das Schweizer Unternehmen Energy Vault für seine Speicherlösung. Das grundsätzliche System ist schnell erklärt: Wenn z.B. in einem Windpark durch starken Wind mehr Energie entsteht, als das Netz in dem Moment benötigt, wird diese Energie von siebenarmigen Kränen verwendet, um riesige Steine aufeinander zu stapeln. So entstehen die vom Unternehmen genannten „Energy Storage Towers“. Sollte dann eine Windflaute kommen, werden diese Steine wieder an Seilen herabgelassen. So kann die Energie wieder genutzt werden. Damit gehört dieses System zu den mechanischen Energiespeichern.
Hier im Video ist die Funktionsweise der „Energiespeichertürme“ simuliert:
Die Vorteile: Niedrige Kosten, Ressourcenschonung, Langlebigkeit
Die Idee, mit Gravitation Energie zu gewinnen, ist nicht neu. Oft braucht es dafür aber bestimmte topografische Bedingungen, wie zum Beispiel Berge. Ein Turm ließe sich jedoch überall bauen. Ein weiteres Problem von Pumpspeicherwerken, die nach einem ähnlichen Prinzip arbeiten, sind die Kosten. Energy Vault hingegen will seine Gewichte aus Bauschutt herstellen. Dabei betont das Unternehmen, welches zum Start-Up IdeaLab gehört, dass damit Ressourcen geschont würden und andere Unternehmen teilweise sogar Geld an Energy Vault zahlen, um ihren „Müll“ loszuwerden. Mit diesen Ressourcen versucht Energy Vault so kostengünstig wie möglich Energie zu speichern. Zudem lobte der Bundesverband Energiespeicher gegenüber der taz, dass die Energy Storage Tower beliebig zu skalieren wären. Je nachdem, wieviel Energie gespeichert werden müsste, könnten die Türme größer oder kleiner geplant werden.
Mit Blick auf die Ressourcen würde sich dieses System besonders in seiner Langlebigkeit auszahlen. Lithium-Ionen-Akkus verbrauchen bei der Herstellung viel Energie und wertvolle Rohstoffe und werden teilweise unter ethisch fragwürdigen Bedingungen hergestellt. Zudem würde sich ein Lastenprinzip, wie es Energy Vault plant, wesentlich langsamer abnutzen, als es bei Akkus der Fall ist.
Laut Eigenaussage des Unternehmens gehen bei der Freigabe von der „gestapelten“ Energie lediglich zehn Prozenz verloren, da die Kräne Pendelbewegungen durch Wind berechnen und entsprechend gegensteuern würden. Dieses intelligente System kann zudem benötigte Energie schnell freigeben, was einen weiteren Vorteil des Energy Storage Towers ausmacht.
Wie steht’s um die Realisierbarkeit?
Zwar ist die Idee, Steine aufeinander zu stapeln, simpel, die Umsetzung verlangt jedoch höchste mathematische Präzision. Markus Aufleger von der Universität Innsbruck bezweifelte gegenüber dem Deutschlandfunk, dass die theoretischen Berechnungen in die Praxis umzusetzen seien. Ob das System funktioniert und dabei tatsächlich 90 Prozent der Energie erhalten bleiben, soll sich noch dieses Jahr zeigen. Energy Vault plant 2019 einen ersten 35-MWH-Speicherturm in Norditalien und in Indien soll gemeinsam mit der Tata Power Company ein Energy Storage Tower entstehen, der auch kommerziell genutzt werden kann.
Doch nicht nur die technische Umsetzung, auch der von Energy Vault prognostizierte günstige Preis wird von manchen Experten angezweifelt. Eduard Heindl von der Hochschule Furtwangen rechnete dem Deutschlandfunk vor, dass die Versiegelung von einer Tonne Bauschutt zwischen 100 und 200 Euro kosten würde. Da ein Gewicht bereits 35 Tonnen wiegen muss, um genügend Energie beim Herablassen abzugeben, wären das bereits mindestens 3.500 Euro für ein Gewicht. Al Duncan, der CCO von IdeaLab, erklärte gegenüber RESET: „Die Anforderungen an die Druckfestigkeit sind im Vergleich zu normalen Gebäuden viel geringer. Unser Turm muss keine Hohlräume stützen, wie es z.B. Säulen in einem Bürogebäude aushalten müssen. Und somit können wir auch unsere Gewichte wesentlich preisgünstiger produzieren.“
Bei all den positiven wie negativen Prognosen bezüglich der Idee von Energy Vault, saubere Energie zu speichern, müssen zunächst die ersten Umsetzungen des Projekts in Indien und Italien abgewartet werden. Zudem ist Energy Vault nicht das erste Unternehmen, das einen „Steinspeicher“ für erneuerbare Energien plant. Im Hamburger Hafen wird gerade ein Speicher aus tausend Tonnen heißer Steine getestet. RESET hat hier darüber berichtet.