Den Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert auf zwei Grad zu begrenzen, ist das erklärte Ziel der Weltgemeinschaft. Um das zu erreichen, wäre ein Pro-Kopf-Verbrauch von maximal zwei Tonnen CO2 notwendig. Der Verbrauch liegt aber deutlich höher, in Deutschland beispielsweise bei durchschnittlich 9,6 Tonnen pro Kopf. Insbsondere Flugreisen treiben den Verbrauch enorm in die Höhe. Alleine bei einem Flug von Deutschland nach New York fallen rund 3,65 Tonnen CO2 an.
Zwar hat sich die Energieeffizienz von Flugzeugen deutlich gesteigert (immerhin sank der Verbrauch von 6,3 auf 3,7 Liter pro Person pro 100 Kilometer in den letzten 20 Jahren), doch ist Fliegen nach wie vor die umweltschädlichste Art zu reisen. Und der Flugverkehr hat in den letzten Jahren immer weiter zugenommen.
Bahn statt Flugzeug
Der schwedischen Biathlon-Star Björn Ferry hat sich nun gegen diesen Trend ausgesprochen. Der Olympiasieger von 2010 vermeidet es, ins Flugzeug zu steigen – und das, obwohl er als TV-Biathlon-Experte für das schwedische Fernsehen darauf angewiesen ist, quer durch Europa zu reisen. Ferry ist seit zwei Jahren konsequent mit der Bahn unterwegs, insbesondere mit Nachtzügen. Sein Boykott von Flugreisen hat in Schweden einen regelrechten Boom ausgelöst. Dies ist beachtlich, da die schwedische Bevökerung zu den weltweiten Vielfliegern zählt: Schwedinnen und Schweden fliegen siebenmal mehr als durchschnittliche Europäer – rund 61 Prozent des CO2-Ausstoßes des Landes werden durch Flugreisen verursacht.
Mittels der sozialen Netzwerke konnte der Trend wortwörtlich Fahrt aufnehmen. Eine Facebook-Gruppe, in der alternative Reisetipps zum Fliegen ausgetauscht werden, hatte bereits kurz nach der Gründung über 30.000 Mitglieder. Sowohl Prominente als auch ehemalige Vielflieger (darunter Geschäftsleute, Ärzte und andere angesehene Berufsgruppen) berichten von ihren Erlebnissen und davon, dass es durchaus möglich ist, Termine innerhalb Europas mit Nachtzügen wahrzunehmen. Unter dem Hashtag #jagstannarpåmarken (deutsch: Ich bleib‘ auf dem Boden) wurden immer mehr dieser Erlebnisse über die sozialen Netzwerke geteilt. Mittlerweile hat sich sogar ein eigener Begriff herausgebildet: „flygskam“, sich wegen seiner Flugreise schämen. Und der Trend weitet sich langsam über die Landesgrenzen Schwedens aus – unter dem internationalen Hashtag #flyingless.
Der Flugscham-Trend nimmt zu
Auch die schwedische Bahngesellschaft SJ spürt diese Bewegung deutlich. Auf manchen Strecken sind die Buchungen um mehr als 100 Prozent gestiegen, sodass die Bahn deutliche Investitionen in ihre Waggons steckt und Verbindungen und Zielorte ausbaut. Auch Interrail-Tickets sind in Schweden 2017 so beliebt gewesen wie schon lange nicht mehr – es wurden rund 50 Prozent mehr Tickets als im Vorjahr 2016 gekauft. Die Buchungen für Flugreisen sanken dagegen um drei Prozent.
Zwar dauert die Reise mit dem Zug länger, hat dadurch aber auch so einige Vorteile. Björn Ferry formuliert es so: „Das meiste lässt sich mit Nachtzügen machen und ein paar Stunden Aufenthalt in Hamburg sind kein Problem, da gibt es ja gutes Bier.“