Als wir das letzte Mal mit den Mitbegründern des Berliner Projekts „Radbahn“ sprachen, war das Ganze noch ein zwar vielversprechendes, aber auch sehr utopisch klingendes Konzept: Der Raum unter der markanten Linie der Berliner U-Bahn – der erhöhten U1 – sollte in einen teilweise überdachten, gut geschützten 8,9 Kilometer langen Fahrradweg mit Tankstellen, Grünanlagen und sogar Solaranlagen umgewandelt werden. Denn unter den erhöhten Gleisen der U-Bahn liegt, eingebettet zwischen den Fahrspuren, ein größtenteils ungenutzter Betonstreifen.
Jetzt, vier Jahre später, soll die „grüne Arterie“, die den Radverkehr freier zwischen „Zoo“ im Westen und „Oberbaumbrücke“ im Osten fließen lassen soll – demnächst realisiert werden. Zumindest auf einem Versuchsabschnitt. Das ehrgeizige Projekt wird von der Bundesregierung und der Stadt Berlin finanziell unterstützt. Wir haben uns mit Perttu Ratilainen von der Radbahn und Paper Planes e.V. getroffen, um mehr über den Fortschritt des Projekts, die möglichen Auswirkungen auf die lokale Gemeinschaft und die Bedeutung der Zusammenarbeit bei der Verwirklichung ihres Traums zu erfahren.
Perttu, kannst du uns ein Update über das Projekt geben? Wo steht ihr gerade?
Es gibt zwei wesentliche Entwicklungen: Erstens hat der Senat von Berlin eine technische Machbarkeitsstudie für einen 200 Meter langen Abschnitt des Projekts (vom Schlesischen Tor bis zum Kottbusser Tor) angekündigt. Diese Studie wird voraussichtlich etwa ein Jahr dauern, und theoretisch könnte dieser Teil des Projekts danach realisiert werden. Mit einem Teil der Mittel, die wir von der Stadt und dem Bundesinnenministerium erhalten haben, werden wir auch eine eigene Studie im Rahmen des dreigliedrigen Teilprojekts „Reallabor Radbahn“ durchführen. Dabei wird auch ein Ort für Veranstaltungen zu kollaborativem Städtebau und Mobilität entstehen.
Dann haben wir ab Juli endlich die Möglichkeit, ein eigenes Büro zu bekommen und unser Team zu erweitern. Bisher waren unsere Zeit und unsere Finanzen begrenzt, jetzt können wir mehr erreichen und die Sichtbarkeit des Projekts erhöhen. Wir sind bestrebt, mit allen möglichen Interessengruppen zusammenzuarbeiten, aber auch mit lokalen Gemeinschaften, Akademikern, Radfahrern und natürlich Künstlern und kulturellen Akteuren.
Ihr habt einmal vorhergesagt, dass eine eurer größten Herausforderungen die konservative Einstellung zur Fahrradinfrastruktur sein würde. Wie habt ihr das überwunden?
Eigentlich würde ich sagen, das Hauptproblem war das fehlende Geld für die Fahrradinfrastruktur. Heute hat die Stadt zehnmal mehr finanzielle Mittel zur Verfügung. Aber ja, wir hatten auch mit dem Mangel an kohärenter Unterstützung durch verschiedene Interessengruppen zu kämpfen. Obwohl es einfach erscheint, ist die Radbahn eigentlich ein kompliziertes Projekt, weil sie mehr als eine Abteilung und zahlreiche Bezirke umfasst, und Querschnittsprojekte waren in Berlin immer schwierig. Aber soweit ich weiß, gibt es niemanden mehr, der das Projekt nicht mag! Jetzt sind wir besser aufgestellt – wir haben ein vielfältiges, unterstützendes Netzwerk mit Verbänden, Unternehmen und Politikern.
Ihr habt aber auch große Unterstützung von vielen Menschen erhalten, oder?
Wir haben phänomenale Unterstützung von Menschen aus der ganzen Welt erhalten, einschließlich einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne, die es uns ermöglichte, weiterzumachen, und der Ermutigung durch Menschen, die die Nachrichten verbreiten. Am wichtigsten ist jedoch vielleicht, dass wir so viel kostenlose Hilfe von Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund erhalten haben: die Autoren, die zu unserem Buch beigetragen haben, die Frau, die eine Woche unbezahlten Urlaub genommen hat, um das Buch ins Englische zu übersetzen, die Person, die unsere Wettbewerbs-Website erstellt hat…. Ihre Professionalität und ihr Glaube an das Projekt ist es, was uns so weit gebracht hat.
Was war für dich der überraschendste Aspekt des Projekts?
Ich persönlich war erstaunt über all die, die mit massiven Beiträgen an Arbeit einsprangen, und über den Eifer der Berliner Gemeinde, Projekte zu unterstützen, mit denen sie sich irgendwie verbunden fühlen.
Welchen Ratschlag würdest du jemandem geben, der ein eigenes infrastrukturelles Ökoprojekt aufstellen möchte?
Mit der Suche nach Unterstützung aus verschiedenen Bereichen beginnen! Manchmal ignorieren Menschen, die im Bereich Nachhaltigkeit arbeiten, Akteure in der Gesellschaft, die tatsächlich entscheidende Unterstützung leisten könnten. Auch wenn du nicht mit Unternehmen zusammenarbeiten willst, gibt es andererseits keinen Grund, sie zu verärgern. In unserem Förderantrag hatten wir Absichtserklärungen von Interessengruppen wie dem Berliner Künstlerverband, der Fabrik Berlin und großen Unternehmen.
Es kann schwierig sein, Investoren für die Infrastruktur zu finden, und du musst zeigen, dass du ernsthaft engagiert bist – dafür ist viel Ausdauer nötig. Auch teilen viele Leute nicht ihre Idee aus Angst, dass sie jemand stehlen könnte. Aber ich behaupte das genaue Gegenteil: Sei offen, hol dir Feedback ein, lass die Leute an deinem Traum teilhaben und sie werden dir helfen.
Kopenhagen und Amsterdam sind Berlin in Sachen Fahrradinfrastruktur weit voraus. Was ist deiner Meinung nach der nächste Schritt für Berlin, wenn die Stadt sich in eine ähnliche Richtung bewegen will?
Obwohl es Jahre dauern wird, bis Berlin zu Kopenhagen und Amsterdam aufschließen kann, ist klar, dass die Stadt jetzt schon einiges erreicht. Überall tauchen neue Radwege auf. Dies muss mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Gemeinschaftsfahrzeugen (idealerweise elektrisch) kombiniert werden. Es gibt viele interessante Innovationen in der urbanen Mobilität. Aber Berlin sollte auf jeden Fall auch weiterhin in die Fahrradinfrastruktur investieren, mit Aufgeschlossenheit und Lernbereitschaft…. Das wird zu etwas Gutem führen, da bin ich mir sicher.
Was könnten deiner Meinung nach die sozialen Auswirkungen des Projekts sein?
Unsere große Vision ist es, ein Vorbild für andere Städte zu schaffen, nicht nur in Berlin oder Deutschland, sondern weltweit. Das bereits erwähnte Reallabor Showcase wird einen Ort bieten, an dem Menschen aus verschiedenen Lebensbereichen zusammenkommen. Es ist wichtig, dass der Stadtraum ein Ort ist, an dem jeder mit jedem interagieren kann. Das ist es, was ich heute aus dem urbanen Leben verschwinden sehe. Die Menschen werden voneinander isoliert – sie fahren jeder für sich mit ihren Autos, kommunizieren aber nicht mit den Nachbarn oder verstehen, mit wem sie den urbanen Raum teilen. Es wäre so schön, etwas zu schaffen, das das Gefühl fördert, gemeinsam in einer Stadt zu leben und diese eben auch gemeinsam zu gestalten.
Weitere Informationen über die Radbahn findest du auf der offiziellen Website des Projekts: Radbahn.Berlin
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut. Das Original erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.