Bei RESET wurden wir bereits vor einigen Jahren auf das kalifornischen Robotikunternehmen Zipline Inc aufmerksam, einen 2016 gelaunchten Dienst für die Lieferung medizinischer Produkte durch autonome Drohnen. In Ruanda kooperiert Zipline mit der dortigen Regierung, um Blutkonserven und medizinische Hilfsgüter an abgelegene und unterversorgte Kliniken und Krankenhäuser zu liefern. 2019 weitete das Projekt seine Aktivität auf Ghana aus.
2020 war ein äußerst umtriebiges Jahr für das kalifornische Unternehmen: Zipline führte nach eigenen Angaben bereits mehr als 75.000 Lieferungen durch (siehe Zähler auf der Unternehmenswebsite), erhielt eine neue Finanzierung in Höhe von 190 Millionen US-Dollar und berief Bono in den Vorstand (ja, dieser Bono!).
Nicht zuletzt steigerte Zipline seine Aktivitäten aufgrund der Coronavirus-Pandemie. Als Reaktion auf den Ausbruch nahm Zipline im April dieses Jahres Covid-19-Testproben in die Liste der medizinischen Lieferungen auf, beginnend in den beiden größten Städten Ghanas, Accra und Kumasi. Mit seinen Drohnen sammelte das Unternehmen Tests aus 1.000 ländlichen Gesundheitseinrichtungen des Landes ein und lieferte sie an das Vertriebszentrum des Unternehmens in Omenako, Ghana, bevor sie zur Analyse wieder zu Gesundheitszentren in den beiden Städten weitertransportiert wurden. Nach Angaben von Zipline sei dies das erste Mal, dass autonome Drohnen für regelmäßige Langstreckenlieferungen in dicht besiedelte städtische Gebiete eingesetzt wurden. Geplant sei, dies für die Dauer der Covid-19-Maßnahmen der Regierung als täglichen Dienst zu betreiben.
Der neue Lieferdienst ermöglicht es der Regierung nicht nur, die Ausbreitung der Krankheit in entlegenen Gebieten des Landes genauer zu kontrollieren und darauf zu reagieren, sondern verkürzt auch die Wartezeiten für die Tests und verringert die Wahrscheinlichkeit, dass Proben durch Unterbrechungen in der Kühlkette beschädigt werden.
Zipline setzt Drohnentechnologie auch in den USA für medizinische Dienste ein. Im Mai schloss sich das Unternehmen mit Novant Health in North Carolina zusammen, um Persönliche Schutzausrüstung (PSA) und medizinische Hilfsgüter zu den Arbeitenden an vorderster Front in der Gegend von Charlotte zu fliegen. Zwar hatte das Unternehmen zunächst keine Genehmigung für Flüge in das Land erhalten, ihm wurde von der FFA (Federal Aviation Administration) jedoch eine historische Ausnahmegenehmigung für die Lieferung medizinischer Hilfsgüter durch Drohnen erteilt.
Die Zipline-Drohnen können bis zu 128 Kilometer pro Stunde zurücklegen, knapp zwei Kilogramm Fracht transportieren und ausgehend von ihrem jeweiligen Drohnenabfertigungszentrum eine Fläche von fast 20.000 Quadratkilometern abdecken. Dadurch können sie wöchentlich bis zu zwei Tonnen medizinischer Hilfsgüter liefern, was dazu beiträgt, die derzeit überlasteten Versorgungsketten etwas zu entlasten.
Matternet: Vernetzung von Krankenhäusern und Apotheken
Ein weiteres Drohnen-Lieferunternehmen, das sowohl in Bezug auf Kompetenz als auch Größe weiterwächst, ist Matternet, das bereits seit 2015 effiziente medizinische Kurierlösungen anbietet, wobei seine Quadcopter-Drohnen (mit vier Rotoren) zwischen vorinstallierten Stationen verkehren. Das Unternehmen hat Pilotversuche mit seinen Drohnen sowohl in der Schweiz als auch in den USA durchgeführt, um Blutproben und Hilfsgüter zwischen Gesundheitseinrichtungen zu befördern. Seit 2017 wurden in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Post Lieferungen von Laborproben durchgeführt, allerdings wurde die Zusammenarbeit wegen zweier Abstürze 2019 zunächst unterbrochen. Anfang 2020 wurden die Lieferungen für die Schweizerische Post wieder aufgenommen, nachdem Änderungen am Quadcopter und am Notfallschirm vorgenommen worden waren.
Das Unternehmen ist inzwischen auch in andere Bereiche aktiv. So war Matternet 2016 an einem Versuch zur Nutzung unbemannter Luftfahrzeugflüge für die HIV-Früherkennung von Kleinkindern in Malawi beteiligt und testete in Zusammenarbeit mit Mercedes Benz in Zürich ein auf Transportern und Drohnen basierendes System zur bedarfsgerechten Zustellung von E-Commerce-Gütern.
Kürzlich hat das Unternehmen eine neue Abgabe- und Andockstation für seine neueste M2-Drohne vorgestellt, die einen schnellen und zuverlässigen Transport von diagnostischen Proben und medizinischen Artikeln zwischen Gesundheitseinrichtungen ermöglicht und zudem noch weitere Schritte im Lieferprozess automatisiert – wie die Entnahme der Lieferung aus der Drohne, die Lagerung des Pakets, die Autorisierung der Kontrolleure zur Abholung der Lieferung und bei Bedarf sogar die Übergabe einer neuen Batterie an die Drohne.
In diesem Promo-Video ist die rund drei Meter hohe, futuristische Drohnenabgabestation in Aktion zu sehen.
Andreas Raptopoulos, CEO von Matternet, sagte: „Unsere Vision ist es, jede Gesundheitseinrichtung in jedem Ballungsgebiet mit der schnellsten heute verfügbaren Transportmethode zu verbinden. Wir bauen die Technologieplattform für eine extrem schnelle medizinische Punkt-zu-Punkt-Versorgung in Städten auf, die es den Krankenhaussystemen ermöglicht, die Wartezeiten der Patient*innen zu verkürzen und Millionen von Dollar pro Jahr einzusparen“.
Auch Matternet war an der Unterstützung der Maßnahmen gegen Covid-19 in den USA beteiligt. Im Rahmen einer bestehenden Partnerschaft zwischen Matternet und UPS, die von der FAA zertifiziert wurde, führten die Drohnen von Matternet medizinische Lieferungen in North Carolina zwischen einem Krankenhaus in Raleigh und seinem so genannten Healthplex außerhalb der Stadt durch, wobei sie alle Arten von Hilfsgütern beförderten, um die Fahrer*innen für Lieferungen im Zusammenhang mit der Pandemie zu entlasten. UPS, das die Technologie von Matternet in seiner Tochtergesellschaft Flight Forward einsetzt, unterstützt auch eine Seniorengemeinschaft in Florida durch eine kontaktlose Einreichung von Rezepten bei einer örtlichen Apotheke.
Zipline und Matternet sind nicht die einzigen Unternehmen, die innovative Ideen für Drohnenlieferungen entwickeln. In Schweden entwickelt Everdrone ein Drohnenprogramm für Notfallmaßnahmen, das den Bewohner*innen der Stadt Göteborg schnell automatisierte externe Defibrillatoren zur Verfügung stellt, um Menschen zu helfen, die einen Herzstillstand erlitten haben.
Es zeichnet sich also ab, dass Drohnen unsere Zukunft verändern werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir auch auf die Kehrseite der autonomen Fluggeräte blicken: Drohnen sind laut und lästig, es gibt Fragen zu ihrer Sicherheit und nicht zuletzt besitzen sie ein erschreckend starkes Überwachungspotenzial. Diese Aspekte müssen wir dringend im Blick behalten, diskutieren und Lösungen dafür finden. Aber es gibt natürlich auch eine Reihe positiver Eigenschaften: Im Gegensatz zu Autos und LKW, die sonst für diese Art von Lieferungen eingesetzt werden könnten, sind Drohnen umweltfreundlich und effizient und können leicht Zugang zu entlegenen Gebieten verschaffen, um sie mit wichtigen Dienstleistungen zu versorgen. Und gerade während der Corona-Pandemie verringern kontaktlose Lieferungen durch Drohnen auch das Infektionsrisiko für Mediziner*innen, die in Hochrisikoberufen tätig sind, und ihre Patient*innen.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischen Seite.
Dieser Artikel ist Teil des Dosssiers „Satelliten und Drohnen – Wertvolle Helfer für eine nachhaltige Entwicklung“. Alle Artikel des Dossiers findest du hier: Dossier Satelliten und Drohnen
Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers über zwei Jahre zum Thema „Chancen und Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung“ erstellen.
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