Aus einer Wasserpflanzen-Plage wird Biokohle

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Char2Cool

Der Verein Char2Cool hat ein Verfahren entwickelt, um aus der invasiven Wasserhyazinthe Biokohle herzustellen. Damit vernichtet die sogenannte C2C-Biochar Unkraut, verbessert den Bodenertrag, schützt das Klima und generiert nebenbei neue Einkommensquellen für Gemeinden.

Autor*in Lena Strauß, 22.10.20

Übersetzung Mark Newton:

Was die unbedachte Einschleppung einer nicht einheimischen Art in der Natur anrichten kann, ist oft erstaunlich, manchmal erschreckend. Die Wasserhyazinthe ist solch ein Fall – trotz oder gerade wegen ihrer hübschen lilafarbenen Blüten. Als Zierpflanze wurde sie Ende des 19. Jahrhunderts aus den brasilianischen Tropen in Gebiete Asiens und Afrikas exportiert und konnte sich dort explosionsartig vermehren. Die invasive Wasserpflanze gilt als die schnellstwüchsige Pflanze der Welt, denn innerhalb von zwei Wochen kann sich ihre Biomasse verdoppeln. Das verheerende Ausmaß dieser Plage wird zum Beispiel am Viktoriasee sichtbar, dem größten Süßwassersee Afrikas. Natürliche Fressfeinde fehlen hier und die Wachstumsbedingungen sind ideal, unter anderem auch bedingt durch die Überdüngung in der Landwirtschaft.

Die Wasserhyazinthe stellt außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets ein riesiges ökologisches, wirtschaftliches und soziales Problem dar. Sie kann ganze Ökosysteme zerstören, Schiffe und Wasserkraftwerke lahm legen und Fischer arbeitslos machen. Ihre dichten Pflanzenteppiche verdrängen die heimische Flora, indem sie Nährstoffe und Sauerstoff an der Wasseroberfläche verbrauchen und kaum Sonnenlicht durchlassen. Als Folge des fehlenden Nahrungsangebots reduzieren sich auch die Fischbestände. Zudem nimmt die Pflanze Einfluss auf den Wasserhaushalt der Region, da ihr üppiges Blattwerk für eine erhöhte Oberflächenverdunstung sorgt und dazu die Wasserzirkulation behindert. Die Folge sind erstklassige Kinderstuben für Malariamücken und eine erhöhte Bodenerosion. Damit nicht genug; nach dem Absterben sinkt das aquatische Unkraut auf den Gewässergrund und verrottet hier ohne Sauerstoff. Das führt zur Entstehung von Methan, einem Treibhausgas, das rund 25 mal klimaschädlicher ist als CO2.

Wertschöpfung statt reiner Ausrottung

Der im niederbayerischen Reisbach ansässige Verein Char2Cool e.V. ist überzeugt, dass das bloße Entfernen der Pflanze niemals nachhaltig sein könne. Stattdessen müsse eine Form der Wertschöpfung gefunden werden. Aus diesem Gedanken heraus wurde die Idee der C2C-Biochar geboren. Dabei handelt es sich um eine Form von Pflanzenkohle (oder Biokohle), worunter auch Holzkohle als wohl bekanntestes Beispiel fällt. Die Verkohlung von Biomasse ist also an sich nichts Neues. Innovativ ist jedoch der Einsatz der Wasserhyazinthe als Ausgangsmaterial. Der gemeinnützige Verein, der offiziell erst seit Februar 2020 besteht, plante zunächst in die Biogaserzeugung einzusteigen, verwarf dieses Vorhaben jedoch in Anbetracht der fehlenden Nachfrage und Infrastruktur in den anvisierten Ländern. Für die Wasserhyazinthen-Verkohlung hingegen entwickelte Olivia Thierley von Char2Cool eine “Frugal Engineering Solution”, den C2C-Kiln. “Damit kann jeder, überall, aus allem Pflanzenkohle machen”, sagt sie gegenüber RESET.

Die Materialien für den Bau des dreiteiligen C2C-Kilns, einer Art Ofen, kosten zwischen 20 und 80 Euro und sind auch in weniger entwickelten Regionen gut zu bekommen. Die Bedienung des Kilns sei intuitiv, sicher und erfordere keine körperliche Anstrengung, erklärt Thierley. Die einzelnen Produktionsschritte für die Verkohlung sind simpel und in Handarbeit zu erledigen: Nach der Ernte werden die Wasserhyazinthen etwa eine Woche lang getrocknet. Anschließend kommt der C2C-Kiln zum Einsatz. Darin wird die Biomasse unter hohen Temperaturen (300-600 Grad) und Sauerstoffmangel verschwelt. Diesen Vorgang nennt man Pyrolyse. Mit zwei Kilns lassen sich 65 kg Pflanzenkohle am Tag gewinnen. Die Aufladung der Kohle mit Nährstoffen erreicht man zum Beispiel durch die Nutzung als Einstreu für Geflügel.

© Char2Cool

Natürliche Bodenverbesserung und permanente Kohlenstoffsenke

Mithilfe der C2C-Biochar werden gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Neben der Unkrautvernichtung geht es um die Herstellung eines natürlichen Bodenverbesserers. In Nigeria beispielsweise sind die Böden durch die staatlich subventionierten synthetischen Düngemittel häufig ausgelaugt. Die Wasserhyazinthen-Kohle gleicht diese Versauerung mittels bodenchemischer Prozesse aus. Außerdem kann sie aufgrund ihrer porigen Struktur Wasser und die darin gelösten Nährstoffe bestens aufnehmen. Nach der Einbringung auf den Feldern gibt sie diese wertvollen Stoffe nach und nach, je nach Bedarf, an die Pflanze ab. Sie ist somit vielmehr ein Trägermittel für Nährstoffe als Düngemittel selbst und kann abgesehen von anderen positiven Eigenschaften das Vorkommen von Mikroorganismen begünstigen. In Ghana konnte Char2Cool nach eigenen Angaben durch die Anwendung eine Vervierfachung der Maiserträge beobachten.

Gleichzeitig entsteht durch die Verkohlung der Wasserhyazinthe aber auch eine permanente Kohlenstoffsenke, sodass an dieser Stelle Wertschöpfung mit Klimaschutz verbunden wird. Das geschieht, indem das beim Pflanzenwachstum aufgenommene CO2 nach der Karbonisierung in Form eines “Kohlenstoffskeletts” gebunden bleibt. Auf diese Weise verbleibt es mehr als 1.000 Jahre stabil im Boden. Pflanzenkohle zählt somit zu den Negativemissionstechnologien. Dazu kommt, dass das Abernten der schier unerschöpflichen Ressource dem Auftreten von Methan entgegenwirkt. Mit einer Tonne Wasserhyazinthen-Kohle werden laut Char2Cool 200 bis 300 Tonnen an CO2-Äquivalenten erzielt. Das entspricht dem jährlichen CO2-Fußabdruck von bis zu 30 in Deutschland lebenden Menschen.

Ein etwas anderes Geschäftsmodell

Die Herstellung der C2C-Biochar erfolgt unabhängig und dezentralisiert. “Unser Modell ist es, lokale Unternehmer zu unterstützen, die dann selbstständig ihre Produktion betreuen”, so Thierley. Das schafft neue Lebensgrundlagen innerhalb der Gemeinden und damit Arbeitsplätze. Das dreiköpfige Vereinsteam gibt sein Know-how direkt an Interessenten weiter, per Telefon, auf dem elektronischen Weg oder persönlich. “Was wir machen ist nicht angetrieben von Millionen von Euro, sondern der Motivation und dem Unternehmergeist der Menschen vor Ort. Wir suchen nicht aktiv nach Produzenten, sondern unterstützen die, die Initiative ergreifen und uns kontaktieren”, erklärt sie.

So fing der Lokalproduzent Peter Bassey aus Nigeria seine C2C-Biochar-Produktion mit einem Startkapital von gerade mal 50 Euro an. Nach fünf Monaten hatte er schon sechs Tonnen Wasserhyazinthen-Kohle erzeugt und drei Mitarbeiter eingestellt. Weitere gute Erfahrungen konnte Char2Cool mittlerweile in Uganda, Kenia, Äthiopien und Peru sammeln. Die künftige Herausforderung wird es sein, einen echten lokalen Markt für die Pflanzenkohle zu schaffen. Viele Landwirte kennen das Produkt und seine Vorteile einfach nicht, nämlich schnelleres Pflanzenwachstum und höhere Erträge bei weniger Wasser- und Nährstoffverbrauch. Deshalb sollen zunächst in Nigeria ein Schulungszentrum und ein Demonstrationsgarten aufgebaut sowie Workshops zum Thema Pflanzenkohle angeboten werden.

Weiterhin soll es die Möglichkeit geben, als Klimaschützer CO2-Kompensationen direkt über Char2Cool zu erwerben – ohne Zwischenhändler und basierend auf verifizierten CO2-Einsparungen pro Tonne Wasserhyazinthen-Kohle. Häufig beziehen sich derartige Kalkulationen nämlich auf Hochrechnungen oder Vorhersagen. Bislang werden die CO2-Kompensationen von Char2Cool nur innerhalb des eigenen Netzwerks und an einzelne Unternehmen verkauft. Wer das Projekt jetzt schon unterstützen möchte, kann beim Crowdfunding mitmachen.

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