Aus alt mach neu: Diese Unternehmen recyceln Toilettenpapier zu Radwegen

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Andrew Gook

Toilettenpapier nur einmal verwenden? Nicht mit CirTec und KNN Cellulose – denn diese Unternehmen stellen aus altem Klopapier den Belag für Radwege her.

Autor*in Laura Wagener, 09.11.17

Es ist eines der allgegenwärtigsten Konsumgüter. Allein in Holland werden jedes Jahr etwa 180.000 Tonnen Toilettenpapier verwendet. Normalerweise gelangt das Papier durch die Toilette in das Abwassersystem und wird dann – gemeinsam anderen festen Bestandteilen des Klärschlamms – aus dem Wasser herausgefiltert, getrocknet und verbrannt. Dabei mitverbrannt werden alle noch enthaltenen wertvollen Ressourcen – wie beispielsweise Zellstoff – und obendrein werden bei der Verbrennung große Mengen CO2 frei.

Die holländischen Unternehmen CirTec und KNN Cellulose haben jetzt eine neuartige Technologie entwickelt, mit deren Hilfe die hochwertige Cellulose aus dem gebrauchten Toilettenpapier extrahiert werden kann, um es dann in neue, hochwertige Produkte umzuwandeln. Das heißt, dass wir nun in der Lage sind, eine wertvolle Ressource aus einem Stoff zurückzugewinnen, der gemeinhin als eines der unappetitlichsten Materialien überhaupt verschrien ist.

Vom Bad bis zum Gehweg: Der neue Weg des Toilettenpapiers

Das Geheimnis der Technologie ist ein neuartiges Cellulose-Filter-System: mit dem sogenannten Salsnes-Filter werden Cellulosefasern aus dem Toilettenpapier im Abwassersystem herausgefiltert. Diese werden dann gereinigt und desinfiziert, bevor sie weiterverkauft und zu einer Vielzahl von Handelsprodukten weiterverarbeitet werden können. Tatsächlich kann die durch diese Technologie zurückgewonnene Cellulose als Ersatz für Bitumen in Asphalt, als Biokunststoff oder als Biokomposit in Baumaterialien verwendet werden.

CirTec und KNN Cellulose haben in dem ersten Pilotprojekt dieser Art die Salsnes-Filter-Technologie verwendet, um gebrauchtes Toilettenpapier in Materialien für den Bau von Fahrradwegen umzuwandeln. Der entstandene Radweg ist einen Kilometer lang und erstreckt sich zwischen Leeuwarden und Stiens im Norden des Landes.
Tatsächlich hat die Beigabe von Cellulose zu herkömmlichen Asphalt gleich zwei wünschenswerte Nebeneffekte: Durch die offenporige Struktur reduziert der Cellulose-Asphalt die Lärmentstehung und sorgt außerdem durch seine Durchlässigkeit bei schlechter Witterung für bessere Straßenhaftung. In einem Interview mit dem Online-Magazin CityLab sagte ein Experte: „Wenn Straßen nass werden, werden sie rutschig. Deshalb verwenden wir diesen Asphalt, weil er das Wasser schneller von der Fahrbahn ableitet“

Die Technologie hat eindeutig ein enormes Potenzial. Und das nicht nur in einem Land, das für seine Liebe zum Fahrradfahren und seine Fahrradinfrastruktur bekannt ist, sondern in der Fertigungs- und Bauindustrie jeglicher Form. Sie ist zudem ein weiterer Pflasterstein auf dem Weg in eine Welt, in der der Wert vermeintlicher Abfallstoffe genutzt wird, anstatt permanent unnötig neue Rohstoffe abzubauen und zu verarbeiten – samt der ökologischen und wirtschaftlichen Kosten dieser neuen Verarbeitung.

Und tatsächlich hat die neue Technologie bereits in anderen Ländern für Aufsehen gesorgt: Auch Kläranlagen in Großbritannien, Spanien, Italien, Griechenland und Israel führen eigene Pilotprojekte mit Cellulose-Recycling aus Klärschlamm durch. Also Augen auf – es ist durchaus möglich, dass du den Weg zur Arbeit bald auf deinem Toilettenpapier von gestern zurücklegst.

In diesem Video spricht Carlijn Lahaye, Geschäftsführer von CirTec, mit der BBC über das Projekt:

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Laura Wagener und erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.

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