Amnesty Decoders: Digitale Aktivisten enthüllen Menschenrechtsverletzungen

Das Team von Amnesty Decoders brachte vor kurzem die Wahrheit über Umweltschäden im Nigerdelta ans Licht.

Amnesty International führt mithilfe der Crowd umfangreiche Recherchen zu Menschenrechtsverletzungen durch. Und die Freiwilligen werden vom Sofa aus zu digitalen Aktivisten.

Autor Tristan Rayner:

Übersetzung Tristan Rayner, 23.04.18

Du willst dich für Menschenrechte einsetzen? Mit der Freiwilligen-Plattform von Amnesty International ist das jetzt einfacher als je zuvor. Amnesty Decoders ist ein globales Netzwerk für digitale Aktivisten, die ihre Computer oder Smartphones einsetzen, um die Recherchen von Amnesty zu unterstützen, indem sie Bildmaterial, Dokumente und Informationen sichten und so Menschenrechtsverletzungen verfolgen und aufdecken.

Das jüngste Projekt der Organisation brachte schockierende Umweltschäden im Nigerdelta ans Licht. Die ehrenamtlichen Aktivisten nutzten sogenanntes „Microtasking“, um umfangreiche Aufgaben wie die Analyse tausender Bilder oder Dokumente untereinander aufzuteilen. So konnten sie neue Informationen zum Vorwurf der Fahrlässigkeit der beiden Ölgiganten Shell und Eni in Nigeria zutage fördern.

Insgesamt 3.545 Menschen aus 142 Ländern engagierten sich in dem Projekt, um Bilder und Dokumente zu überprüfen. Sie beantworteten mehr als 163.000 individuelle Fragen zu Reports und Fotos und arbeiteten dabei insgesamt rund 1.300 Stunden – jemand, der Vollzeit arbeiten würde, hätte dafür acht Monate gebraucht.

Bei dem Projekt sichtete die digitale Truppe für Amnesty Bilder von Ölteppichen und hatten die Aufgabe, die von Shell und Eni veröffentlichten Fotos zu beschreiben und zu markieren, ob dort irgendetwas Ungewöhnliches zu verzeichnen war. Der Hintergrund dafür ist, dass Ölkonzerne von Entschädigungszahlungen an betroffene Einheimischen befreit werden, wenn sie nachweisen können, dass der Ölaustritt von Dritten verursacht wurde – für gewöhnlich durch Sabotage oder Diebstahl.

Bei mindestens 89 Ölunfällen wurden begründete Zweifel hinsichtlich der von den Konzernen vorgebrachten Gründe für die Lecks festgestellt. Denn die tatsächliche Ursache lag sehr wahrscheinlich in mangelhafter Wartung und Verschleiß. Dies bedeutet, dass dutzende betroffener Gemeinden nicht die Entschädigungen erhalten haben könnten, die ihnen eigentlich zustünden. Hinzu kommt, dass das Nigerdelta bereits jetzt zu den am meisten verschmutzten Gebieten weltweit gehört und die hier lebenden Menschen ohnehin mit schwierigen Bedingungen kämpfen.

In dem Amnesty-Projekt wurden außerdem von Shell und Eni veröffentlichte Dokumente und Berichte daraufhin gesichtet, ob die Unternehmen die nigerianischen Regierungsvorschriften einhalten, wonach das Gelände, wo es zu einem Ölaustritt kommt, innerhalb von 24 Stunden nach Bekanntwerden des Vorfalls aufgesucht werden muss. Die Analysen von Amnesty zeigen, dass Shell nur in 26 Prozent der Fälle reagierte, Eni seinen Verpflichtungen immerhin bei 76 Prozent der Vorkommnisse nachgekommen ist. In einem der Fälle suchte Eni den Ort eines Öllecks allerdings erst nach 430 Tagen auf.

Die Ergebnisse der Recherchen von Amnesty werden der nigerianischen Regierung gemeldet und die Gesetzgeber zugleich aufgefordert, die Regulierungen in der Ölindustrie zu verbessern.

Selbst Menschenrechtsaktivist werden!

Jeder kann das Team von Amnesty Decoder unterstützen und an den laufenden Projekten mitarbeiten, aktuell zum Beispiel an dem Projekt #ToxicTwitter. Hier begutachten die Freiwilligen Tweets und beantworten im Anschluss Fragen dazu, ob die ausgewählten Tweets missbräuchlich oder anderweitig problematisch sind. Das Ziel des Projekts ist es, sexistische oder rassistische Tweets und andere Formen des Missbrauchs gegenüber Frauen auf Twitter aufzudecken. Mehr als 4.000 Menschen haben bereits an dem Projekt mitgearbeitet und mehr als 200.000 Fragen beantwortet. Es gibt aber noch jede Menge weitere Tweets zu sichten – etwa 500.000. Das Projekt kann also jede Hilfe gut gebrauchen!

Du möchtest Teil der Amnesty-Crowd werden? Hier erfährst du mehr zu Amnesty Decoders.

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Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien auf unserer englischen Website.

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