Konstruktiver Journalismus – das ist die geflügelte Ausdrucksweise für eine Berichterstattung, die nicht nur gegebene Probleme thematisiert, sondern ihren Fokus zugleich auch auf Lösungen und somit „Wege aus der Krise“ legt. Kurz: genau das, was wir hier bei RESET schon seit vielen Jahren machen. In der letzten Woche wurden wir daher als Vertreter dieser positiven Berichterstattung zum Journalisten-Salon eingeladen, den die Berliner Taz monatlich gemeinsam mit dem Mekolab veranstaltet. Das Motto der Veranstaltung: „Transformationsmedien und konstruktiver Journalismus – Positiv gegen den »journalistischen Negativ-Bias«“.
Zum Hintergrund: Der „klassische Journalismus“ sieht es als seine Aufgabe, neutral und ohne Wertung, sprich „objektiv“, über Sachverhalte zu berichten. Dabei sollte der Bericht wertfrei und weder beschönigend noch zu negativ ausfallen, mit der schlichten Aufgabe, den Rezipienten zu informieren. In der Geschichte des Journalismus hat sich jedoch ein mehrfach durch Studien bestätigter „Negativ-Bias“ eingeschlichen. Das heißt, dass die Berichterstattung sowohl in der Themenauswahl als auch in der Formulierung eher negativ geprägt ist. Studien zufolge löst diese negative Berichterstattung bei vielen Medienkonsumenten das Gefühl von Hilflosigkeit und Überforderung aus, die sie – im Angesicht der schwerwiegenden Probleme dieser Welt – in eine überforderte Apathie verfallen lässt. Der Konstruktive Journalismus ist sozusagen der Gegenentwurf dazu und befasst sich neben der Berichterstattung über die Probleme auch mit möglichen Lösungsentwürfen. Die Hoffnung: Durch das Aufzeigen der Möglichkeiten sollen Medienkonsumenten nicht nur Probleme wahrnehmen, sondern zudem ein Bewusstsein für Auswege und Alternativen zu Konflikten entwickeln. Mehr dazu auch im Interview mit Perspective Daily: Wir erweitern den Journalismus um einen lösungsorientierten Fokus.
Konstruktive Medien – eine wichtige Ergänzung zu klassischen Medienhäusern
Da auf der Veranstaltung am 13. November neben dem Moderator ausschließlich Vertreter positiv berichtender Medien vertreten waren, ging es bei der Diskussion vor allem um Erfahrungswerte: Was können die Vertreter des konstruktiven Journalismus, was die großen Medienhäuser nicht können? Wie können konstruktive Medien dazu beitragen, globale Herausforderungen und die sogenannte sozial-ökologische Transformation, mit Themen wie Kohleausstieg und Mobilität der Zukunft, zu beschreiben? Für RESET beantworteten diese Fragen Indra Jungblut aus der deutschen und Marisa Pettit aus der englischen Redaktion. Außerdem auf dem Podium dabei: Marius Hasenheit, Gründer und Herausgeber des transform Magazins und ehemaliger Reset-Redakteur, Viola Nordsieck, ebenfalls von transform und Jonathan Widder, Herausgeber des Online-Magazins Good Impact. Moderiert wurde das Ganze von Johannes Altmeyer von der Welt.

Grob zusammengefasst waren sich alle Teilnehmer der Diskussion einig: konstruktive Berichterstattung will die klassische Berichterstattung nicht ersetzen, sondern stellt eine dankenswerte Ergänzung zu ihr dar. Insbesondere in großen tagesaktuellen Medienhäusern stehen die Journalisten unter starkem Zeitdruck. Bereiten sie ein Thema für die Redaktion auf, fehlt es in aller Regel an Zeit und Auftrag, zusätzlich zum „Problem“ das Thema mit einem konstruktiven Absatz zu ergänzen und gegebenfalls Lösungen zu präsentieren. Das liegt auch daran, dass viele von konstruktiv oder positiv berichtenden Medien aufgegriffenen Lösungsideen aus Sicht der klassischen Medien „unfertig“ sind und möglicher Weise nicht langfristig bestehen bleiben.
Indra von RESET sagt dazu:„Vielen wirklich guten und wichtigen Initiativen zu sowohl globalen als auch lokalen Problemen fehlt es an der Reichweite, um Schule zu machen. Das liegt natürlich teilweise an den Strukturen in den Ländern, die diese Problemlösung erfordern, teilweise daran, dass ihnen das Netzwerk fehlt. Hier setzen wir an – was jedoch nicht heißt, dass wir keine fundierte Berichterstattung zu Hintergründen anbieten.“
© Indra von Reset: „konstruktiver Journalismus ist eine Ergänzung zum klassischen Journalismus“.
Konstruktiv bedeutet nicht haltlos
Hier spiegelte die Debatte im Taz-Café wieder, was konstruktiv berichtenden Medien häufig vorgeworfen wird: Kann ein Journalist, der nach positiven oder konstruktiven Aspekten eines Problems sucht, in seiner Berichterstattung objektiv sein? Und kann das wirklich der Anspruch an jedes Thema sein? Die Antwort der Podiumsmitglieder fiel wieder mehr oder weniger einstimmig aus: Auch über das schrecklichste Unglück kann konstruktiv berichtet werden, indem beispielsweise Hintergründe besser beleuchtet werden. So könne sichergestellt werden, dass nicht nur die fatalistischen Folgen eines komplexen Konfliktes (beispielsweise ein Bombenanschlag oder ein Reaktorunfall) sichtbar sind, sondern zumindest das Gesamtgefüge besser verstanden würde.
Auch zum Punkt der Objektivität herrschte Einigkeit: allein die Auswahl von Medien-Inhalten sei – egal bei welchem Medium – immer an die subjektive Priorisierung von Journalisten gebunden. Dasselbe gilt auch für Formulierung, Platzierung und Bebilderung eines Medieninhaltes. Wichtig sei – sowohl bei klassischen als auch allen anderen Medienformen – dass das Thema journalistischen Grundsätzen folgend fundiert recherchiert sei. Hier stellen die Portraitierung von Hintergründen und Kontexten keinerlei Widerspruch zu der Darstellung von Lösungsmöglichkeiten eines Konflikts oder Problems dar.