AeroSHARK: Mit „Haifischhaut“ überzogene Flugzeuge sollen die Emissionen im Luftverkehr reduzieren

Besonders aerodynamische Flugzeuge sparen Treibstoff und damit auch CO2-Emissionen. Aber welche Einsparungen bringt "Haifischhaut"?

Autor*in Mark Newton:

Übersetzung Sarah-Indra Jungblut, 16.03.22

Geht es darum, einige der drängendsten technologischen Herausforderungen der modernen Welt zu lösen, ist uns Mutter Natur oft um ein paar Millionen Jahre voraus.

Nehmen wir zum Beispiel das Problem der CO2-Emissionen im Luftverkehr. Wenn es gelingt, Flugzeuge aller Größenordnungen aerodynamischer zu gestalten, verbrauchen sie weniger Treibstoff und müssen folglich auch weniger Emissionen verantworten. Um dieses Problem zu lösen, haben sich Forschende von Lufthansa und BASF von einem der elegantesten Jäger des Meeres inspirieren lassen: dem Hai.

Haie haben über Jahrtausende spezielle Schuppen entwickelt, die die Wasserströmung nahe an der Haut steuern und so den Wasserwiderstand verringern. Dadurch können sie gleichzeitig ihre Geschwindigkeit erhöhen und den Energieaufwand beim Schwimmen und Jagen verringern. Ein Team von Luftfahrtingenieur*innen aus Deutschland, der Schweiz und den USA hat sich davon inspirieren lassen und AeroSHARK entwickelt, eine widerstandsfähige bionische Folie, die die Haut von Haien nachahmt und den Luftstrom über den Außenrumpf von Flugzeugen optimiert.

Die Rippen auf den Schuppen von Haien helfen, die Wasserströmung zu steuern und den Widerstand zu verringern. In der Luft funktioniert dieser Effekt auch.

Jeder Abschnitt der Aeroshark-Folie besteht aus kleinen prismenförmigen Erhebungen – etwa 50 Mikrometer hoch -, den so genannten Riblets. Diese flexiblen und leichten Folien können an fast jedem Teil eines Flugzeugs angebracht werden und sorgen dafür, dass die Luft effizienter am Flugzeug vorbeigeleitet wird, was den Luftwiderstand verringert. An den Tragflächen angebracht, können die AeroSHARK-Folien auch für zusätzlichen Auftrieb sorgen, so dass das Flugzeug effizienter in der Luft bleiben kann.

Ein zusätzlicher Vorteil der AeroSHARK-Folie ist, dass sie einfach zu handhaben und wartungsarm ist. Das Team geht davon aus, dass die AeroSHARK-Schicht etwa vier Jahre lang voll wirksam bleibt und in dieser Zeit fast keine Wartung benötigt. Die Folie wurde außerdem getestet, um sicherzustellen, dass sie den großen Unterschieden in Temperatur, Luftdruck und Wetterbedingungen standhält, denen Flugzeuge an verschiedenen Punkten ihrer Reise ausgesetzt sind. Darüber hinaus kann die Folie einfach und kostengünstig an jedem bereits vorhandenen Flugzeug nachgerüstet werden, wobei nur eine minimale Bodenzeit erforderlich ist.

Einige große Unternehmen haben die Technologie bereits übernommen. Die Lufthansa wird die Technologie Anfang 2022 sogar in ihrer gesamten Frachtflotte einführen. Bei den zehn Boeing 777F werden Rumpf und Bauch mit AeroSHARK verkleidet, wodurch rund 3.700 Tonnen Kerosin und etwa 11.700 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Dies entspricht etwa 48 Einzelflügen von Frankfurt nach Shanghai.

Swiss International Air Lines (SWISS) – ein Unternehmen des Lufthansa-Konzerns – geht noch weiter und wird die erste Passagierfluggesellschaft sein, die diese Technologie einsetzt. Sie plant, ihre „lange“ Boeing 777-300ER mit rund 950 Quadratmetern Riblet-Folie umzurüsten und damit 4.800 Tonnen Kerosin und 15.200 Tonnen Kohlenstoff einzusparen – das entspricht 87 Flügen von Zürich nach Mumbai.

Ohne Kontext betrachtet, klingen diese Zahlen recht beeindruckend. Allerdings sind die mit der Haifischhaut möglichen Kraftstoffeinsparungen insgesamt ein wenig. In Wirklichkeit liegen die oben genannten Treibstoffeinsparungen nur in der Größenordnung von 0,8 bis 1,1 Prozent. Bei der Anzhal der Flüge ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Allein die Lufthansa-Gruppe (bestehend aus Lufthansa, SWISS, Austrian Airlines und Eurowings) hat im Monat Dezember 2019 rund 83.000 Flüge aller Größenordnungen durchgeführt. In den Sommermonaten können es sogar bis zu 100.000 pro Monat sein.

Andersherum wird Treibstoff verringert und eine Steigerung der Effizienz um nur ein Prozent ist eine enorme technische Leistung bei Flugzeugen, die diese bereits sehr aerodynamisch sind. Ein zusätzlicher Vorteil sind die Einfachheit und die Kosten von AeroSHARK, die es für die Fluggesellschaften attraktiver machen dürfte, ihre Flotten damit zu bekleben. Schließlich führt die Reduzierung der CO2-Emissionen auch zu einer Senkung der Treibstoffkosten, die für die Fluggesellschaften einen großen Kostenfaktor darstellen. Ein Prozent weniger in der Bilanz ist keine Zahl, die man völlig außer Acht lassen sollte.

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Die Luftverkehrsbranche durchläuft derzeit eine turbulente Zeit. Die COVID-Pandemie hat das Reisen erschwert bzw. zeitweise sogar unmöglich gemacht und Geschäftsreisen – ein weiterer großer Geldbringer – werden mit dem Aufkommen und der Akzeptanz von Videokonferenzen voraussichtlich noch weiter zurückgehen. Und auch viele Verbraucher*innen stellen zunehmend Flugreisen wegen ihrer hohen CO2-Emissionen in Frage, insbesondere bei kürzeren Strecken. In einigen Ländern, wie zum Beispiel Schweden, hat dies zu der Bewegung flygskam – oder flight shaming – geführt, einem von Prominenten angeführten Versuch, unnötige Flugreisen zu vermeiden.

Andernorts hofft man, mit Hilfe von Technologien die Umwelt zu entlasten. So werden beispielsweise neue emissionsarme Kraftstoffe entwickelt, und die nächste Generation von Elektroflugzeugen könnte theoretisch schon in naher Zukunft abheben.

Es besteht also Hoffnung, dass mit emissionsarmen Antrieben, neuen Designs und einem Sinneswandel im Reiseverhalten der Flugverkehr seine CO2-Emissionen massiv schrumpft. Dazu müssen aber auch wirkungsvolle Alternativen geschaffen werden, zum Beispiel schnelle, günstige Fernverkehrsverbindungen auf dem Gleis.

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