Achtung Baumwolle, hier kommt Hanf!

Hanf könnte Baumwolle als nachhaltige Alternative in der Textilindustrie ablösen

Der Anbau von Hanf ist wasserarm und unaufwändig. In China arbeiten daher Forschung, Agrarwirtschaft und Textilindustrie gemeinsam daran, den Naturstoff statt Baumwolle zu etablieren.

Autor*in Laura Wagener, 04.10.17

Obwohl der Trend in vielen Teilen der Welt eher zur Legalisierung geht: Hanf genießt wegen seiner Einsetzbarkeit als Droge nach wie vor ein schlechtes Image. Dabei ist das Gewächs nahezu die eierlegende Wollmilchsau unter den Nutzpflanzen: Neben dem Einsatz als Rauschmittel werden THC und Cannabidiol beispielsweise auch als Arzneimittel eingesetzt. Außerdem ist das aus besonders günstigen Fetten zusammengesetzt Hanföl in der Lebensmittelindustrie sehr gefragt und Hanffasern stellen einen geeigneten Rohstoff für die Papierherstellung, zum Herstellen von Verbundstoffen, beispielsweise in der Automobilindustrie, und sogar zum Anfertigen für Textilien dar.

Wenngleich dies nicht ganz neu ist – in der Herstellung von Segeln und Tauen wird sich schon lange auf das robuste Material verlassen –, will China Hanf als Textilrohstoff jetzt zu ganz neuem Glanze verhelfen. Und sich so von der Baumwollproduktion unabhängig machen.

Warum Hanf statt Baumwolle?

Auch wenn China nach wie vor zu einem der größten Kohledioxidemittenten der Welt gehört: Der Wirtschaftsriese hat erkannt, dass die derzeitigen Produktionsbedingungen verheerende Folgen für die Umwelt haben und langfristig nicht wirtschaftlich sein werden. China gehört bisher neben den USA und Indien zu den Hauptproduzenten von Baumwolle – trotz eines Rückgangs in den letzten Jahren vor allem genetisch veränderter Baumwolle (weltweiter Anteil rund 64 Prozent). Baumwolle braucht im Anbau extrem viel Wasser.

Zum Veranschaulichen: Für die globale Baumwollproduktion werden jährlich 256 Kubikkilometer Wasser benötigt – genug Wasser, um jeden Erdenbürger pro Tag mit 120 Litern Frischwasser zu versorgen. Genetisch veränderte Baumwolle ist zudem besonders empfindlich bei Witterungsschwankungen: Ist die Bewässerung unregelmäßig oder fegt ein Sturm über das Feld hinweg, kann dies das Aus für die gesamte Ernte bedeuten. Gleichzeitig verlangt der konventionelle, nicht-biologische Anbau den Einsatz großer Mengen an Insektiziden und Pestiziden, was wiederum zur Auslaugung und Versalzung der Böden führt. Die Qualität und der Preis der chinesischen Baumwolle hat in den letzten Jahren daher so gelitten, dass die Volksrepublik im letzten Jahr sogar drei Millionen Tonnen des Stoffs aus den USA importieren musste.

Hanf stellt hier eine ökologisch verträgliche und vor allem anspruchslose und schnell nachwachsende Alternative dar. Hanf braucht wenig Wasser, wurzelt bis zu fast 1,5 Meter in die Tiefe und wächst so auch auf ausgelaugtesten Böden und ist extrem pflegeleicht, was den Einsatz von Pestiziden fast obsolet macht. Und auch für den Klimaschutz hat Hanf etwas in Petto: pro Hektar Anbaufläche nimmt Hanf etwa doppelt so viel CO2 auf wie Baumwolle. Auch das dürfte der Volksrepublik China, die im Zuge der Klimarahmenkonvention ambitionierte Klimaschutzziele vorgegeben haben, in die Tasche spielen.

Universitätsforschung in Heilongjiang Vorreiter in Hanfverarbeitung

Um die Hanffaser so weiterzuentwickeln, dass sie Baumwollfasern ebenbürtig ist, beschäftigten sich Wissenschaftler

© Michael Carus | nova-Institut Garnrollen aus Hanffasern

im Zuge eines groß angelegten Forschungsprogramms mehrerer Universitäten in der Provinz Heilongjiang intensiv mit der Weiterverarbeitung der Faser. In Zusammenarbeit mit der Ukraine und Kanada wurden neue, ertragreiche Hanfsorten entwickelt, die Koppelerntemaschinen für Stängel und Samen optimiert sowie ein spezielles biotechnisches Verfahren entwickelt, um mit Hilfe von Enzymen besonders feine Hanffasern zu produzieren. Diese können dann ganz genau wie Baumwolle weiter verarbeitet werden. In Heilongjiang ist man von dem Produkt bereits überzeugt: Während vor wenigen Jahren erst 1.000 Hektar Anbaufläche der Provinz auf Hanf entfiel, sind es in diesem Jahr nunmehr bereits 30.000 Hektar. Das entspricht etwa der Anbaufläche für Hanf in ganz Europa. Im nächsten Jahr soll die Fläche noch einmal verdoppelt werden.
 

© Michael Carus | nova-Institut Socken, Handtücher und andere Textilien lassen sich zwischenzeitlich qualitativ hochwertig aus Hanf herstellen

Ob sich der umweltverträgliche Rohstoff in der Textilindustrie durchsetzen kann, hängt natürlich maßgeblich davon ab, ob der Kunde auch zu Hanf-Handtuch, -Socke oder -T-Shirt greift und ob andere Industrieländer den Trend aufgreifen. Angesichts der negativen Folgen von Baumwollplantagen auf die Umwelt und die Arbeiterschaft scheint Hanf in jedem Falle eine sinnvolle Alternative. Als nächstes müsste dann jedoch die ökologisch verträgliche Weiterbehandlung der Textilien folgen.
 

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