Von der Stahlherstellung bis zur Datenspeicherung – bei fast jeder Tätigkeit, die Energie erfordert, entsteht Wärme. Die durch menschliche, mechanische oder thermische Prozesse erzeugte Wärme trägt zwar in weitaus geringerem Maße zur globalen Erwärmung bei als Treibhausgase. Aber sie bietet als Ressource dennoch viele Möglichkeiten – wenn die Wärme aufgefangen oder zur Erzeugung neuer Energie genutzt wird, anstatt in die Atmosphäre zu entweichen, wo sie de facto verschwendet wird.
Tatsächlich wird das gesamte Abwärmepotenzial allein in der EU auf etwa 300 Terawattstunden im Jahr geschätzt. Das ist mehr als der jährliche Stromverbrauch des Vereinigten Königreichs.
Von der thermischen Energiespeicherung zur Umwandlung
Bevor Wärme in Energie umgewandelt werden kann, muss sie zunächst gesammelt werden, wenn sie verfügbar ist, damit sie genutzt werden kann, wenn sie gebraucht wird. Mittlerweile gibt es viele Technologien und Techniken zur Speicherung von Wärmeenergie, darunter unterirdische Speicher (Bohrlöcher, Aquifere, Kavernen), Batterien, Wassertanks und Festbetten. Energie kann sogar kryogenisch und in heißen Steinen gespeichert werden. Je nach Methode kann die Wärme gespeichert und Stunden, Tage oder sogar Monate später genutzt werden.
Sobald die Wärme nicht mehr in die Atmosphäre entweichen kann und ausreichend eingeschlossen ist, beginnen so genannte Abwärmerückgewinnungsanlagen mit der Energieumwandlung. Zu den gängigen Systemen gehören Luftvorwärmer wie Rekuperatoren und Regeneratoren sowie Ofenregeneratoren, Rotationsregeneratoren, Wärmeräder und RAC-Systeme (Run Around Coil). Regenerative und rekuperative Brenner, Wärmerohr- und Plattenwärmetauscher, Economiser, Abhitzekessel und direkte elektrische Umwandlungsgeräte bieten weitere Methoden und Optionen.
Quellen für potenziell nutzbare Abwärme gibt es überall, zum Beispiel in Großheizungen wie Kraftwerken, Automotoren, Rechenzentren, Abwässern, Ölraffinerien und Stahlwerken.
Beginnen wir mit Abwässern. Im Jahr 2018 hat die EU Abwasser als erneuerbare Wärmequelle anerkannt. In einem ausführlichen Bericht des Trinity College Dublin heißt es, dass Wärmetauscher und Wärmepumpen zur Rückgewinnung von Wärme genutzt werden können, die beim Baden, Wäsche waschen und Geschirrspülen entsteht und die allein in Deutschland genug Energie enthält, um 2 Millionen Haushalte zu heizen.
Rechenzentren sind einer der am schnellsten wachsenden Verursacher von Abwärme. Gegenwärtig werden etwa 40 Prozent des Stroms für die Kühlung der Maschinen verbraucht. Wenn wir Abwasser in Wärme umwandeln können, können wir das auch mit Serverwärme tun. Schweden hat bereits bewiesen, dass es funktionieren kann, indem das Land ganze Stadtteile mit der Wärme seiner Rechenzentren beheizt.
In Autos können thermoelektrische Generatoren und Wärmerohre eingesetzt werden, um die von Verbrennungsmotoren erzeugte Wärme in Strom umzuwandeln und so den Kraftstoffverbrauch zu senken und in Öl- und Gaswerken kann Heißdampf in einem Abhitzekessel erzeugt werden, der mit einer Dampfturbine verbunden ist und Strom in das System zurückspeist. Und auch in der Stahlerzeugung könnte in Zukunft die Wärmepumpentechnologie eingesetzt werden, um heiße Gas- und Wasserabgase in elektrische Energie umzuwandeln.
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Doch nicht nur die Anzahl und Vielfalt der Abwärmequellen sind vielfältig, sondern auch die Möglichkeiten der Energieumwandlung: Die von Servern erzeugte Wärme kann zur Algenzucht oder Beheizung von Schwimmbädern eingesetzt werden, aus heißen Industrierohren wird thermoelektrischer Strom und Häuser können mit warmen Meerwasser oder der Abwärme aus U-Bahn-Tunneln geheizt werden.
ReuseHeat, ein vom Horizont-2020-Programm für Forschung und Innovation der Europäischen Union finanziertes Projekt, hat vier Jahre lang das Potenzial von vier der oben genannten Abwärmeumwandlungsmethoden untersucht, und zwar an Demo-Standorten in Berlin, Madrid, Nizza und Braunschweig.
Die Herausforderungen bei der Rückgewinnung von Abwärme
Wie bei den meisten Innovationen im Bereich der Nachhaltigkeit müssen die technische Machbarkeit und die wirtschaftliche Rentabilität vieler Wärmeenergiemethoden noch langfristig bewertet werden. Es ist klar, dass es sich wahrscheinlich nicht lohnt, die Abwärme deines Laptops für die Glühbirne der Schreibtischlampe zu nutzen. Weniger klar ist jedoch, ob die aus U-Bahn-Tunneln zurückgewonnene Niedertemperaturwärme, wie von ReuseHeat in Berlin erforscht, angrenzende Gebäude mit einer lohnenden Energiemenge versorgen kann. Derzeit besteht die größte technologische Herausforderung darin, Energie aus dem lauwarmen Ende des Abwärmespektrums zu gewinnen. In einem Bericht der Yale School of Environment heißt es: „Mehr als 60 Prozent der weltweiten Abwärme liegt unter dem Siedepunkt von Wasser, und je kälter sie ist, desto schwieriger ist es, daraus nutzbare Energie zu gewinnen.“
Weitere Herausforderungen sind der Transport der Wärme von der Quelle zu einem Ort, an dem sie genutzt werden kann, die Entwicklung von Materialien mit höherem Umwandlungswirkungsgrad, die Konstruktion und Integration der erforderlichen Teilsysteme sowie die Tatsache, dass fossile Brennstoffe nach wie vor relativ billig sind, was den wirtschaftlichen Anreiz zur Wiederverwendung von Abwärme verringert.
Fest steht, dass das Thema Abwärmenutzung nach wie vor noch nicht überall angekommen ist. Nehmen wir zum Beispiel das Mining von Kryptowährungen. Es ist zwar inzwischen klar, dass der „Abbau“ von Kryptowährungen mit erneuerbaren Energien betrieben werden sollte. Aber es gibt wenig Überlegungen dazu, wie die gesamte Wärme, die bei dieser Tätigkeit ins Leere fließt, genutzt werden kann. Erwähnenswert ist hier auch, dass es eine große Herausforderung ist, traditionellere, energieintensive Industrien wie Zement, Aluminium, Glas und Stahl neu zu erfinden. Die Einführung und Optimierung von Innovationen im Bereich der Abwärme steht daher im Einklang mit dem hohen Stellenwert, den wir einer Kreislaufwirtschaft insgesamt beimessen. Darin hat nicht Priorität, wie wir Energie erzeugen, sondern auch die Frage, wie wir ihr ein „zweites Leben“ geben können. Der Anreiz ist sicherlich groß – bis 2028 wird der Markt für Abwärmerückgewinnung voraussichtlich 114,67 Milliarden USD wert sein.
Dieser Artikel ist Teil des Dossiers „Energiewende – Die Zukunft ist vernetzt“, das im Rahmen einer Projekt-Förderung von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert wird. In vier Dossiers geht RESET dem Thema „Mission Klimaneutralität – Mit digitalen Lösungen die Transformation vorantreiben“ nach.
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