OpenSurface: KI-Plattform spürt Landnutzung und Entwaldung aus dem Weltraum auf

Das Projekt OpenSurface bietet eine KI-basierte Lösung an, mit der sich Landnutzung aus dem Weltraum überwachen lässt. Dies soll auch den Klimaschutz auf globaler Ebene vorantreiben.

Autor*in Katie Cashman:

Übersetzung Katie Cashman, 07.04.20

Land- und Forstwirtschaft sowie die Rodung von Land sind für etwa ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich und tragen damit maßgeblich zum Klimawandel bei. Wenn wir die im Pariser Abkommen festgelegten globalen Emissionsziele erreichen und die globale Erwärmung unter zwei Grad aufhalten wollen, müssen diese Emissionen so weit wie möglich reduziert werden: durch besseren Schutz der einheimischen Wälder, Eindämmung der Zersiedelung und die Gewährleistung, dass landgestützte wirtschaftliche Aktivitäten wie die Landwirtschaft so nachhaltig wie möglich durchgeführt werden. Doch wie kann das erreicht werden? Wenn diesbezügliche Regeln und Vorschriften für eine nachhaltigere Bodennutzung eingeführt werden – wie kann sichergestellt werden, dass sie auch eingehalten werden?

Die Überwachung der Landnutzung über große Gebiete hinweg ist ressourcenintensiv und komplex, mit riesigen Datenmengen aus verschiedenen Quellen, darunter staatliche Aufzeichnungen, Messungen am Boden sowie Satelliten- und Drohnenbilder, die zu verschiedenen Zeitpunkten, aus verschiedenen Höhen und mit unterschiedlicher Auflösung gesammelt wurden. Um all diese Daten sinnvoll zu nutzen und zu verwerten, könnten Entwicklungen im Bereich des maschinellen Lernens helfen.

Die kürzlich gestartete, auf Künstlicher Intelligenz basierende Plattform OpenSurface will Regierungen, Unternehmen und Forschenden helfen, Landnutzungsveränderungen schnell und effizient zu verfolgen, zu überwachen und zu bewerten. Durch die intelligente Zusammenführung riesiger Mengen von Landnutzungsdaten aus verschiedenen Quellen soll OpenSurface in der Lage sein, Entwaldung, Veränderungen von Teilflächen und Waldbränden zu überwachen – und sogar zu prognostizieren –, den gegenwärtigen und zukünftigen Grad der biologischen Vielfalt zu bewerten und die Ernte- und Bodenbedingungen im Laufe der Zeit zu verfolgen und zu projizieren.

Die API (Application Programming Interface) von OpenSurface umfasst und kombiniert verschiedene Technologien – darunter maschinelles Lernen, Secure-Ledger-Technologien, Fernerkundung und das Internet der Dinge –, um maßgeschneiderte und digitalisierte Landmanagement-Dienste anzubieten. Die KI hilft dem System, die Landnutzung und Bodenbedeckung zu klassifizieren und die im Laufe von Jahrzehnten aufgezeichneten Raumbilder schnell und mit größerer Genauigkeit als bei bisherigen Techniken zu analysieren. Unter Verwendung von qualitativ hochwertigen Drohnenbildern sind diese Technologien sogar in der Lage, die verschiedenen Baumarten in den Wäldern zu erkennen und ihr jeweiliges Kohlenstoff-Speicherungspotenzial zu messen.

David Dao vom DS3Lab der ETH Zürich unterstützt die Plattform durch KI-Forschung. „Was OpenSurface intelligent macht, ist die Art und Weise, wie wir die Entwaldung vorhersagen“, erklärt er. „In unserer Forschung wollen wir das modernste maschinelle Lernen nutzen, um aus rohen Satellitenbildern Risikogebiete der Entwaldung vorherzusagen. In der Theorie ermöglicht uns das eine Skalierung auf tägliche Vorhersagen. Denn heutzutage können die Satelliten täglich ein Bild von den meisten Orten auf der Welt aufnehmen.“

OpenSurface prognostiziert die Entwaldung mit einem auf Fernerkundung basierenden Videovorhersagemodell, um Entwaldungsmuster zu erkennen. Dabei folgen die Bilder in chronologischer Reihenfolge aufeinander und die dabei entstehenden Muster ermöglichen es den Nutzenden, Bedrohungen hinsichtlich bevorstehender Entwaldung zu erkennen. Durch die Kombination dieser Informationen mit Regierungsdaten über Zoneneinteilung und Landbesitz können politische Maßnahmen wirksamer umgesetzt werden, um die Entwaldung zu stoppen. Dies ist nur eines der künstlich-intelligenten Tools, die das DS3Lab zur Eindämmung der Entwaldung entwickelt hat.

Die Plattform könnte in Zukunft dazu beitragen, ergebnisorientierte Zahlungen zu rationalisieren – durch die effiziente Sammlung von Beweisen dafür, wie gut die Wälder geschützt und erhalten wurden. Die von REDD+ (Programm der Vereinten Nationen zur Verringerung der Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung) entwickelte Strategie für ergebnisorientierte Zahlungen bietet finanzielle Anreize für Schwellenländer, die die Entwaldung während einer bestimmten Zeitspanne gestoppt haben. So zahlte der Green Climate Fund beispielsweise in den Jahren 2014 und 2015 96,5 Millionen US-Dollar an Brasilien, um die Bemühungen um die Eindämmung der Entwaldung des Amazonasgebiets zu fördern.

Ein Pilotprojekt zur Bekämpfung der Entwaldung in Chile

Die erste Pilotanwendung von OpenSurface wird derzeit in Chile in Zusammenarbeit mit der chilenischen Forstverwaltung (CONAF) eingesetzt. Aktuell wird dort an der Entwicklung und Verfeinerung der Technologie gearbeitet, um geplante und genehmigte Landnutzungen mit dem tatsächlichen Grad der Waldvernichtung am Boden zu vergleichen. Wann immer es einen Unterschied zwischen der genehmigten und der durch die Technologie ermittelten tatsächlichen Landnutzung gibt, sendet OpenSurface eine Warnung an die Mitarbeiter der CONAF. Laut Jose Antonio Prado Donoso, dem Leiter der CONAF-Einheit für Klimawandel und Umweltdienste, „wird die OpenSurface-Plattform ein wichtiges Instrument zur Verringerung der Entwaldung und insbesondere der Waldschädigung sein – das Hauptproblem, von dem die einheimischen Wälder in Chile betroffen sind“.

Mit OpenSurface will CONAF positive Ergebnisse in der Forstwirtschaft demonstrieren und Chile helfen, sein Naturkapital zu erhalten und seine Klimaverpflichtungen zu erfüllen. Es ist nicht das erste Mal, dass CONAF innovative Technologien einsetzt, um die Abholzung zu stoppen. In der Vergangenheit wurden bereits Rauchmelder in den Wäldern installiert, die bei einem Waldbrand warnen, oder auch solarbetriebene Audiosensoren, die Kettensägengeräusche von normalen Waldgeräuschen unterscheiden und so die Parkwächter vor illegalem Holzeinschlag warnen können.

Eine große internationale Initiative mit mehreren Partnern führte zur Gründung von OpenSurface, dazu gehören u.a. IDB Lab, EIT Climate-KIC, Cleantech21, South Pole Carbon Asset Management, das DS3 Lab der ETH Zürich und Scout Impact R&D. Gemeinsam haben sie die OpenSurface-Plattform auf der COP25 in Madrid im vergangenen Dezember lanciert. Obwohl die COP25 eine Enttäuschung im Hinblick auf internationale Vereinbarungen war, war sie erfolgreich darin, globale Klimamaßnahmen von Programmen und Technologien wie OpenSurface sichtbar zu machen.

Die intelligente OpenSurface-Plattform kann die Landbeobachtung einfacher, schneller und genauer gestalten. Und da sie quelloffen ist, kann sie von einer Vielzahl von Interessengruppen genutzt werden, um natürliche Ressourcen an Land (was nicht beschränkt auf Wälder, Böden und Ökosysteme ist) zu schützen und unsere globalen Ziele für den Klimaschutz zu erreichen. Wie David Dao vom DS3Lab der ETH Zürich erklärt, könnte dieses System in Zukunft auch zur Erfassung der städtischen Landnutzung eingesetzt werden, um eine nachhaltige Stadtentwicklung zu gewährleisten: „Theoretisch sind diese Probleme alle sehr ähnlich und ein Algorithmus könnte etwas, das wir „Transfer Learning“ nennen, verwenden, um sich schnell an einen anderen Problembereich anzupassen. Wir haben bisher noch nicht an städtischen Problemen gearbeitet, aber ich bin sicher, dass wir uns in Zukunft damit befassen werden.“

Dieser Text wurde übersetzt von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischen Seite.

Wie kann KI im Umwelt- und Klimaschutz wirkungsvoll eingesetzt werden? Welche spannenden Projekte gibt es? Was sind die sozial-ökologischen Risiken der Technologie und wie sehen Löungen aus? Antworten und konkrete Handlungsempfehlungen geben wir in unserem Greenbook(1) „KI und Nachhaltigkeit – Können wir mit Rechenleistung den Planeten retten?“.

Dieser Artikel ist Teil des Dosssiers „Künstliche Intelligenz – Können wir mit Rechenleistung unseren Planeten retten?“. Alle Artikel des Dossiers findest du hier: Dossier KI

Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers über zwei Jahre zum Thema „Chancen und Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung“ erstellen.


Mehr Informationen hier.

Künstliche Intelligenz – Können wir mit Rechenleistung unseren Planeten retten?

Längst löst Künstliche Intelligenz komplexe Aufgaben und erleichtert unseren Alltag. Doch liefern die intelligenten Computerprogramme auch neue Lösungen für den Umwelt- und Klimaschutz?

Interview: Können wir Künstlicher Intelligenz vertrauen?

Wie können wir KI-basierte Systeme so gestalten, dass ihr Einsatz dem Gemeinwohl nützt? Wir sprachen mit Kristina Penner von AlgorithmWatch über algorithmische Bias und Diskriminierungspotenziale von KI, aber auch über Transparenz und Teilhabe.

Interview: Wie kann Künstliche Intelligenz nachhaltig gestaltet werden?

Welche Potenziale hat KI für den Umwelt- und Klimaschutz? Wie kann man KI-Anwendungen selbst nachhaltiger gestalten? Und was können Unternehmen, Entwickler*innen oder Regierungen dafür tun? Darüber sprachen wir mit Stephan Richter vom Institut für Innovation und Technik.

Eine Open-Source-Plattform zeigt, wie ein nachhaltiger Energiemarkt funktionieren könnte

Erneuerbare Energien unterliegen Schwankungen – wie bringt man trotzdem Sicherheit in den Energiemarkt? Das Open-Source-Projekt PowerTAC nutzt maschinelles Lernen für Simulationen und Prognosen und hilft so, ein besseres Verständnis für die Gestaltung des komplexen Energiemarkts zu erhalten.

Masakhane: KI und maschinelles Übersetzen für die Transformation Afrikas

Afrikanische Sprachen sind in der digitalen Welt wenig oder gar nicht repräsentiert. Millionen Sprecher*innen von Kiswahili, isiZulu, Tshiluba und Co. sind damit von digitalen Möglichkeiten und Informationen ausgeschlossen. Ein Open-Source-Projekt tüftelt deshalb an KI-Lösungen für maschinelle Übersetzungen.

Project Zamba: Open Data und KI für den Schutz der afrikanischen Tierwelt

Kamerafallen, die für den Artenschutz eingesetzt werden, zeichnen tausende Videoclips auf. Wer soll das alles sichten? Ein Open-Data-Projekt hilft, relevantes Bildmaterial automatisch zu erkennen.

KI gegen Artensterben und illegalen Holzschlag auf Sumatra

Auf Sumatra setzen Naturschützer eine neue Technologie ein, um den Regenwald mit seinen Tieren und Pflanzen zu schützen und illegale Rodung zu verhindern.

Die effektivste Maßnahme gegen den Klimawandel: mehr Wälder!

Eine neue Studie belegt, dass mit der Aufforstung einer Fläche von der Größe der USA zwei Drittel der weltweiten CO2-Emissionen aus der Erdatmosphäre entzogen werden könnten. Klingt nach einer einfachen Lösung. Aber ist das auch realistisch?

Deutsches Forschungsprojekt: KI soll Bodenschäden erkennen, bevor es zu spät ist

Mit Künstlicher Intelligenz ausgerüstete Satelliten könnten im Fall von Umweltschäden als Hightech-Frühwarnsystem dienen.