Ein großer Teil Indiens hat keinen Zugang zu offiziellen Entsorgungssystemen, daher landet eine beträchtliche Menge des Mülls – etwa 62 Millionen Tonnen jährlich – auf einer Deponie. Dort produzieren die Abfälle große Mengen Methan und verschmutzen so die Umgebung. Das Recycling des Mülls liegt oft allein bei den sogenannten Lumpen- oder Abfallsammlern, einer der ärmsten und am stärksten marginalisierten Gruppen Indiens. Sie halten sich über Wasser, indem sie Abfälle sammeln, sortieren, trennen und dann weiterverkaufen. Auf diese Weise tragen sie enorm dazu bei, die Kosten der städtischen Abfallwirtschaft zu senken, ein Recyclingsystem zu schaffen, wo es sonst keines gäbe und die Abfallmenge insgesamt zu reduzieren, die auf den Deponien landet.
Das Sozialunternehmen Waste Ventures India (WVI) will die Abfallwirtschaft in Indien sowohl ökologisch als auch finanziell nachhaltiger gestalten. Dies soll erreicht werden, indem die Rolle der Abfallsammler formalisiert wird und ihre Dienstleistungen für Kunden per App bereitgestellt werden: WVI bietet in seiner App „Toter“ einen Door-to-Door-Service an, der Menschen, die Müll sammeln, mit Menschen, die ihren Müll loswerden wollen, verbindet.
Wie funktioniert der Dienst?
Wie bei einem „Uber für Müll“ muss der Nutzer in der Toter-App einfach einen Termin für die Abholung des Abfalls buchen. Ist die Buchung bestätigt, begibt sich ein Vertreter des Dienstes zur vereinbarten Zeit zum Standort, wiegt das recycelbare Material mit einer digitalen Waage ab und bezahlt den Kunden dafür in bar. Die Abfälle müssen allerdings zuvor getrennt werden – in Papier, Plastik, Metalle, Elektroschrott, Glas usw. Wenn Kunden ihre Abfälle zuvor nicht getrennt haben, müssen sie eine Gebühr bezahlen. Das soll die App-Nutzer dazu motivieren, ihre Abfälle bereits beim Sammeln zu trennen, in biologisch abbaubare und nicht biologisch abbaubare, die in unterschiedlichen Säcken gesammelt werden.
Im nächsten Schritt kauft WVI den gesammelten Abfall von den Toter-Agenten ab und transportiert ihn zu einem Lager, wo er weiter sortiert und getrennt wird, bevor er in Würfel gepresst wird, die wiederum an zertifizierte Recycler vom indischen Pollution Control Board geschickt werden.
Aktuell arbeitet das Social Enterprise Startup mit etwa 18.000 Haushalten und mehreren Firmenkunden zusammen, außerdem wurden mehr als 1.000 Menschen aus einkommensschwachen Gemeinden zu Sammlern ausgebildet. Für Firmenkunden versendet das Unternehmen zudem vierteljährlich Nachhaltigkeits- und Nutzungszertifikate.
Laut VWI wurden seit 2013 etwa 4.000 Tonnen Abfall von den indischen Deponien abgeleitet, gleichzeitig wurden so höhere Einnahmen für Tausende von Müllsammlern erzielt. Die Abfälle wurden zu einer Reihe von Produkten recycelt, wobei der Schwerpunkt auf biologisch abbaubaren Materialien zur Herstellung von Kompost lag. Dieser wird durch ein aerobes Verfahren erzeugt, das gezielt zur Reduzierung von Methanemissionen eingesetzt wird. Das Unternehmen produziert so nach eigenen Angaben einen „100 prozentigen Biokompost“, der über die App und über Amazon in Indien an Landwirte verkauft wird. Außerdem ist WVI in der Lage, Emissionsgutschriften für die Methanreduktion einzufordern.
Derzeit fokussiert sich das Unternehmen auf Hyderabad, wo schätzungsweise 4.000 Tonnen Abfall pro Tag (!) produziert werden – dort gibt es die höchste Abfallmenge pro Kopf in Indien. Außerdem plant das Sozialunternehmen nach Bangalore und darüber hinaus zu expandieren.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.