Circa 90 Prozent der Bevölkerung in Ägypten ist muslimisch, viele davon streng gläubig. Der Glaube impliziert für die meisten eine strenge familiäre Rollenteilung: Der Mann geht arbeiten, die Frau besorgt zu Hause den Haushalt und kümmert sich um die Familie. In orthodoxeren Familien ist es den Frauen teilweise nicht einmal gestattet, alleine das Haus zu verlassen. Selbst Geld zu verdienen und so etwas zum Familieneinkommen beizutragen und finanzielle Unabhängigkeit zu erlangen, ist für viele Frauen daher undenkbar.
Abd El Rahman will mit seiner Online-Plattform „Mumm“ dazu beitragen, den Frauen trotz eingeschränkter Möglichkeiten zu finanzieller Eigenständigkeit zu verhelfen. Sein Online-Lieferservice setzt auf Hausmannskost statt Restaurant-Küche: Bei der Plattform angemeldete Frauen kochen wie gewohnt zu Hause ihre Lieblingsgerichte und können diese dann über die App zum Verkauf anbieten. Mitarbeiter der Plattform übernehmen den Lieferdienst für die Köchinnen.
Mumm: Integration und Wirtschaftlichkeit
Um Integration zu fördern, kooperiert das Mumm-Team mit der gemeinnützigen Fard Foundation. Die Flüchtlingsorganisation sorgt dafür, dass neben ägyptischen Köchinnen auch geflüchtete Frauen aus Syrien, dem Irak und dem Sudan ihre hausgemachten Speisen anbieten können. Die hungrigen Nutzer der App können ihren Standort eingeben und sehen die in ihrer Nähe angegebenen Gerichte. Einmal für ein Gericht entschieden, können sie einzelne Portionen, aber auch genug Essen für eine ganze Familie bestellen. Vorerst beschränkt sich die Reichweite der App auf die ägyptische Hauptstadt Kairo.
„Die Mahlzeiten von Mumms sind immer sauberer und besser als Lebensmittel, die man in Restaurants bekommen würde, weil sie mit Liebe und Sorgfalt gekocht werden“, sagte Mumm-Gründer Waleed Abd El Rahman dem World Economic Forum (WEF). Die Nutzer können – ähnlich wie bei Yelp oder Tripadvisor – für die Köchinnen auf Grundlage der bestellten Gerichte Bewertungen abgeben und die Bewertungen anderer Nutzer lesen. Ein weiterer Pluspunkt: Die Gerichte werden rund 20 Prozent günstiger als in konventionellen Restaurants angeboten.
Hochrechnungen zufolge verdienen die Köchinnen mit ihrer Hausmannskost so pro Monat bis zu 300 Euro. Die Studentin Jala Riad finanziert sich so beispielsweise ihr Studium – eine Arbeit außerhalb des häuslichen Bereichs würde sie nach eigener Aussage neben ihrem Studium nicht schaffen. Die mit ihrer Familie aus Syrien nach Ägypten geflohene Iman Omanein versorgt über die Einnahmen aus ihrer Küche ihre Familie.
Wieso Mumm?
„Mumm ist ein 7000 Jahre altes hieroglyphisches Wort und bedeutet ‚Essen‘“, erklärt Abd El Rahman. „Es ist das erste Wort, das ein ägyptisches Kleinkind zu sagen lernt, um zu kommunizieren, dass es hungrig ist. Für Ägypter ist Mumm ‚Essen‘. Einheimische lächeln, wenn sie es hören“, so El Rahman weiter.
Das World Economic Forum und die International Finance Corporation zeichneten Mumm als eines von 100 Startups aus dem nordafrikanischen Raum und dem Nahen Osten aus, welche mit Hilfe digitaler Technologien gesellschaftlichen Wandel fördern. Und auch wenn wir Europäer uns wohl eher wünschen würden, den Frauen würde die Wahl überlassen, ob sie einer normalen Erwerbstätigkeit nachgehen wollen, so bietet Mumm vielen Frauen zumindest eine finanzielle Emanzipierung und stärkt ihre Anbindung an die regionale Ökonomie.