5 technologische Innovationen, die die Zukunft unserer Ernährung prägen könnten

Wie sollen wir die fast 10 Milliarden Menschen ernähren, die bis zum Jahr 2050 diese Erde bevölkern werden? Eine Frage, die uns alle angeht. Neue Technologien bergen das Potenzial, in Zukunft für eine größere Ernährungssicherheit zu sorgen. Wir stellen fünf davon vor.

Autor*in Marisa Pettit, 25.07.18

Es ist keine Überraschung, dass Ernährungssicherheit an vorderster Stelle in der Liste der nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen steht (Ziel 2: „Hunger beenden, Ernährungssicherheit und verbesserte Ernährung erreichen und nachhaltige Landwirtschaft fördern“). Eine Herausforderung, die exponentiell mit der immer größer werdenden Weltbevölkerung mitwächst. Selbst heute, wo es eigentlich genug Nahrung gibt, um die etwa 7 Milliarden Menschen auf der Welt zu ernähren, leidet fast eine Milliarde Menschen an Hunger oder ist unterernährt – in  der Regel aufgrund von Armut und ungleicher Verteilung der Ressourcen. Was muss sich ändern, damit wir die zusätzlichen 2 Milliarden Menschen ernähren können, die voraussichtlich bis 2050 auf diesem Planeten leben werden? Und wie können wir gleichzeitig diejenigen mit Essen versorgen, die bereits heute schon Hunger leiden?

Wasserknappheit, Landdegradierung (häufig verursacht durch intensive Landwirtschaft), Nahrungsmittelspekulationen und die extremen und unvorhersehbaren Wetterbedingungen durch den Klimawandel verschärfen die Situation, indem sie die Nahrungsmittelproduktion erschweren. Doch ganz gleich ob es darum geht, Landwirten bei der Anpassung an den Klimawandel zu helfen, Ernteerträge zu steigern oder die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und den Vertrieb zu verbessern: neue Technologien haben ein enormes Potenzial, um die Ernährungssicherheit für alle in Zukunft zu sichern.

Vertical Farming: der grünen Daumen für drinnen…und Unterwasser

Bei Aerofarms, der größten vertikalen Farm der Welt, wird Blattgemüse ohne Sonnenlicht und ohne Boden gezüchtet – dank des sogenannten „aeroponischen Systems“. Die Wurzeln der Pflanzen sind Luft ausgesetzt, die mit Wasserdampf und Nährstoffen angereichert ist. Zudem wird die gesamte Fläche mit LEDs ausgeleuchtet. Das Ergebnis? Im Vergleich zu herkömmlichen Methoden benötigt der Betrieb 95 Prozent weniger Wasser, keine Pestizide oder Düngemittel und produziert einen viel höheren Ertrag pro Quadratmeter.

In Berlin ist InFarm das wegweisende Projekt für die innerstädtische Indoor-Landwirtschaft: Hier werden modulare, vertikale Landwirtschaftseinheiten direkt in den Supermarkt verlagert. Statt die Gänge nach den gesuchten frischen Lebensmitteln zu durchforsten, kann der geneigte Hauptstädter sich seinen Salat direkt aus dem Regal ernten – und so auch landwirtschaftliche Lieferketten auf null reduzieren.

Aber der vertikale Ackerbau ist keineswegs auf die Innenräume von Gebäuden beschränkt – einige Farmen sind sogar unter dem Meeresspiegel angesiedelt. GreenWave beispielsweise hat ein System für die nachhaltige Muschelzucht entwickelt, bei der Seile von der Wasseroberfläche bis zum Meeresboden gespannt werden, um daran Algen, Jakobsmuscheln und Miesmuscheln zu züchten. Diese Art des Anbaus kann dazu beitragen, die Umweltverschmutzung, Versauerung und Überfischung der Meere zu verringern, da sie gänzlich ohne Düngemittel, Pestizide, Antibiotika oder Süßwasser auskommt.

Hightech-Gewächshäuser

Von Afrika bis hin zur Arktis profitiert auch das bescheidene konventionelle Gewächshaus von ein wenig technologischer Optimierung.

In Indien hofft so zum Beispiel ein gemeinnütziger Verein namens Kheyti, Kleinbauern in der Region mit einem neuen (und bezahlbaren!) Gewächshaus zu helfen, das Getreide gegen härtere Wetterbedingungen zu stärken. In ihrem Gewächshaus wird ein neues aluminiumbeschichtetes Tuchmaterial verwendet, das die Pflanzen vor Hitzewellen und Trockenheit schützt und ein Tropfbewässerungssystem verwendet, das den Wasserverbrauch drastisch um bis zu neunzig Prozent reduziert.

Ein anderes System, welches bereits in trockenen Gegenden in Australien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, dem Oman und jetzt auch in Somalia eingesetzt wird, ist das von Seawater Greenhouse. Das Startup entwickelt Gewächshäuser für extrem trockene Umgebungen und nutzt Meerwasser, um das Innere des Gewächshauses zu befeuchten und zu kühlen. Das Salzwasser im System wird anschließend destilliert und kann so zum Gießen der landwirtschaftlichen Produkte eingesetzt werden. Auf diese Weise entsteht ein geschlossenes und nahezu trockenheitsresistentes System.

In der Arktis verändern die steigenden Temperaturen immer drastischer die Entwicklung der einzelnen Jahreszeiten und stören so traditionelle Nahrungsbezugsquellen, wie beispielsweise die Jagd. Das bedeutet, dass Gemeinschaften immer abhängiger von aus dem Süden angelieferten Nahrungsmitteln sind. Dort werden Lebensmittel in igluförmigen Gewächshäuser angebaut, die Wind und Schnee trotzen. Als Energiequelle dient Solarenergie sowie die Verbrennung von gebrauchtem Kaffeesatz.

Urban Gardening Projekte

Das eigene Essen selbst anzubauen oder an einem Gemeinschaftsgartenprojekt teilzunehmen bedeutet nicht nur verkürzte Lieferketten, reduzierte Transportkosten und weniger CO2-Emissionen, sondern gleichzeitig auch mehr Autonomie durch Selbstversorgung sowie die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls.

In Paris wurde ein stillgelegter Parkplatz in eine unterirdische Farm verwandelt, in der jetzt an Dächern und Wänden Lebensmittel für die ganze Stadt gedeihen. In Belgien gibt es währenddessen einen richtigen Supermarkt, der auf Urban Gardening setzt: Ganz ohne Mittelmänner und Transportmeilen gelangt das Essen in den Regalen vom eigenen Garten auf dem Dach.

Und sogar das IKEA-Innovationslabor in Kopenhagen mischt mit und hat mit Growroom ein städtisches Gartenzentrum entwickelt, in dem innerstädtische Gärten angelegt und eigene Lebensmittel angebaut werden können.

Lösungen gegen Lebensmittelverschwendung

Die Hungersnöte des 21. Jahrhunderts sind nicht auf Nahrungsmittelmangel zurückzuführen, sondern auf die ungerechte Verteilung der Lebensmittel. Und: Während wir mehr als genug Nahrung produzieren, um die ganze Welt zu ernähren, gehen riesige Mengen davon jedes Jahr als Lebensmittelabfall verloren. Laut einer Studie werden in der Europäischen Union jedes Jahr 88 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet – das sind schockierende 173 Kilo pro Kopf und Jahr.

Die Apps ResQ und ToGoodtoGo erlauben euch in ganz Europa am Ende eines Tages preisreduzierte Lebensmittel aus Verkaufsstellen preisgünstig abzuholen. So sparst du Geld, vermeidest zusätzliche Einkäufe und verhinderst, dass gutes Essen verschwendet wird.

In Deutschland verfolgt der Supermarkt SirPlus ein ähnliches Konzept: er verkauft Lebensmittel, die von anderen Supermärkten als unverkäuflich aussortiert wurden. Neben zwei Filialen in Berlin gibt es auch einen Online-Shop, der das ganze Land beliefert. In Dänemark lässt sich WeFood von demselben Konzept inspirieren.

Feeding India kämpft in einem der am stärksten unterernährten Länder der Welt gegen die Lebensmittelverschwendung, indem es Lebensmittel rettet, die sonst im Mülleimer landen würden und dann Mahlzeiten für Bedürftige zubereitet.

Alternative Proteinquellen finden

Der westliche Ernährungsstil ist derzeit geprägt von tierischen Produkten – nicht nur ein Problem für die menschliche Gesundheit, sondern auch für die Umwelt. Die Fleisch- und Milchproduktion benötigt mehr Land und Wasser als der Anbau von Nutzpflanzen für die menschliche Ernährung und verursacht zudem deutlich höhere Treibhausgasemissionen. Fleischliche Proteine durch alternative Proteinquellen zu ersetzen, würde daher zu einem nachhaltigeren Ernährungsstil beitragen.

Beispielweise gibt es über 2000 Arten essbarer Insekten, die uns bis dato bekannt sind. Dennoch haben es Käfer und Co. in den meisten westlichen Ländern noch nicht auf den Speiseplan geschafft. Dabei sind sie billiger, leicht erhältlich und natürlich weniger schädlich für die Umwelt als tierisches Protein. Wären die Menschen vielleicht offener für das große Krabbeln, wenn Insekten so verarbeitet wären, dass sie nicht mehr an Krabbeltiere erinnern? Das ist zumindest der Ansatz einer Initiative in Guatemala, die Käfer in nahrhaftes Mehl verarbeitet und es dann zu Brot und Keksen verwandelt.

Und in Indonesien entwickelt Biteback eine brandneue Palmöl-Alternative, die aus Käferlarven gewonnen wird. Indonesien ist der größte Produzent von Palmöl der Welt und der Markt schädigt die Umwelt des Landes dramatisch: Die Palmölproduktion ist der Hauptgrund für die fortschreitende Entwaldung des Landes.

Das Wissenschaftslabor – Eine weitere unerwartete Proteinquelle? Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass du schon bald ein Steak aus dem Labor auf dem Teller hast, geht die Entwicklung doch immer weiter in diese Richtung. Mit gutem Grund: Analysen von Wissenschaftlern der Universität Oxford und der Universität Amsterdam zeigen, dass im Labor gezüchtete Fleischerzeugnisse gegenüber herkömmlichen Proteinquellen bis zu 96 Prozent weniger Treibhausgase emittieren und 45 Prozent weniger Energie verbrauchen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf unserer englischen Seite und ist eine Übersetzung von Laura Wagener.

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