Hunger

Weltweit haben ca. 842 Millionen Menschen (Stand 2013) nicht genug zu essen und leiden deswegen chronisch an Hunger. Das ist mehr als die Bevölkerung der USA, Kanada und der EU zusammen. Hunger ist aber kein Problem des Angebots. Rein rechnerisch wäre genug Nahrung vorhanden, um die Weltbevölkerung von 6,7 Milliarden Menschen angemessen zu ernähren. Was sind also die Ursachen dafür, dass Menschen an Hunger leiden?

Autor*in Rima Hanano, 10.06.08

Der Anteil der weltweit hungernden Menschen nimmt laut Welthunger-Index (WHI) 2013 ab. Im Vergleich zum Jahr 1990 hat sich der Wert des WHI um 34 Prozent verringert. „Die Situation bleibt dennoch ernst“, warnt die Welthungerhilfe: Jeder achte Mensch ist weiterhin nicht ausreichend ernährt. Die Hungerkatastrophen, die sich weltweit abspielen, sind aber kein aktueller Engpass, sondern eine fundamentale globale Krise, bei der viele Experten um Ursache und Lösung streiten. Hunger ist nach wie vor ein Einkommens- und Verteilungsproblem und kein Problem des Angebots. Die Welthungerhilfe ging bereits im Jahr 2005 von etwa 24.000 Menschen weltweit aus, die täglich an den Folgen der Unterernährung sterben.

Wie wird Hunger definiert?

Millionen Menschen haben so wenig zu essen, dass sie den täglichen Mindestbedarf von durchschnittlich 2.300 Kilokalorien, den die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) empfiehlt, oftmals bei weitem regelmäßig nicht erreichen können. Diese Menschen leiden chronisch an Hunger. Chronischer Hunger und Unterernährung bedeuten vor allem individuelles Leid in dem Sinne, dass der Körper aufgezehrt und körperliche wie geistige Aktivitäten stark eingeschränkt werden. Chronischer Hunger kann darüber hinaus auch zu einer extremen ökonomischen Belastung für die Hungernden, die Familien, ja die gesamte Ökonomie eines Landes werden. So reduziert Hunger die Arbeitskraft, die Produktivität und damit den Lohn der Menschen, deren Arbeitskraft oft das einzige Gut ist, über das sie verfügen. Chronischer Hunger ist ein Teufelskreis, der nicht nur eine Folge von Armut ist, sondern gleichzeitig Armut verursacht. Eine Gesellschaft, die von Unterernährung und Hunger geprägt ist, kann sich weder wirtschaftlich noch sozial entwickeln.

Wer ist vom Hunger betroffen?

Mehr als 842 Millionen Menschen leiden derzeit an Hunger (Welthungerhilfe, 2013). 98 Prozent der Hungernden leben in Entwicklungsländern, drei Viertel davon in ländlichen Regionen. Ein Großteil davon sind Kleinbauern oder Landlose, also Menschen, die direkt in die Produktion von Nahrungsmitteln involviert sind. Besonders betroffen von Hunger sind Frauen und Kinder. Mehr als die Hälfte (60 Prozent) der Hungernden weltweit sind Frauen. Jedes Jahr bringen unterernährte Frauen ca. 20 Millionen untergewichtige Babys zur Welt, deren Chancen von Geburt an schlecht sind. Umweltkatastrophen wie Flutkatastrophen oder Dürrekatastrophen und Kriege lösen zusätzlich jedes Jahr Hungerkrisen aus und führen dazu, dass ganze Regionen an Hunger leiden.

Obwohl Südasien die größten Fortschritte in der Hungerbekämpfung seit 1990 gemacht hat, ist der Hunger dort am größten. Die Situation in der Sahel-Zone, so der Bericht, ist weiter kritisch. In Burundi, Eritrea und Komoren sind die WHI-Werte am schlechtesten. Seit 1990 haben 23 Länder deutliche Fortschritte gemacht und ihre WHI-Werte um 50 Prozent oder mehr gesenkt. Zu den Gewinnern gehören Lateinamerika, Thailand und Vietnam.

Aber auch in Industrieländern hungern Menschen. Hier sind es insgesamt 19 Millionen Menschen, die an Hunger leiden.

Die Ursachen von Hunger

Die Ursachen von Hunger sind oftmals komplex miteinander verknüpft und vielschichtig. Hunger und Hungersnöte sind jedoch in den seltensten Fällen alleiniges Ergebnis extremer Naturereignisse, sondern vielmehr die Folge politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Fehlverhaltens der Entwicklungs- und Industrienationen. Als wesentliche Ursache wird vor allem die nachlassende landwirtschaftliche Produktion in einigen Entwicklungsländern gesehen, welche u.a. auf die folgenden Faktoren zurückgeführt werden kann:

  • Agrarexport-Subventionen durch die Industrienationen: Der Import subventionierter Nahrungsmittel aus den Industrieländern, die zu Dumpingpreisen auf dem Weltmarkt angeboten werden, zerstört die Märkte der Entwicklungsländer und die Existenz der Kleinbauern. Die Landwirtschaft wird unrentabel und unattraktiv. Mehr zum Thema Agrarhandel.
  • Schutzzölle der Industrienationen: Durch Schutzzölle schützen viele Industrieländer ihre weiterverarbeitende Industrie vor der Konkurrenz aus den Entwicklungsländern und verhindern damit, dass auch diese Länder eine derartige Industrie entwickeln können.
  • Die Vernachlässigung des ländlichen Raums durch die Entwicklungsländer selbst: Vor allem mangelnde Investitionen bspw. in Infrastruktur und in Märkte ländlicher Regionen begrenzen die ländliche Produktivität.
  • Der Anbau von Cash crops anstelle von Grundnahrungsmitteln: So wird in vielen Entwicklungsländern fruchtbares Land vermehrt für den Anbau von Exportkulturen wie Palmen, Soja oder Tabak anstelle für den Anbau von Nahrungsmitteln genutzt.
  • Eine fehlende Förderung von Kleinbauern bspw. durch Kleinkredite.
  •  Der Raubbau an der Natur.

Hinzu kommen verstärkende Faktoren:

  • Ein hohes Bevölkerungswachstum, was in Kombination mit niedrigen Erträgen in der Landwirtschaft zu Nahrungsknappheit führt.
  • Klimarelevante Faktoren, die bspw. in Form von längeren Dürreperioden oder Überschwemmungen die sowieso schon geringen Ernterträge vermindern. 
  • Spekulationen auf den Weltmärkten verteuern Lebensmittel.

Auch Kriege und Bürgerkriege haben oftmals Hungerkatastrophen zur Folge, wie dies in Darfur der Fall ist, wo sich etwa 3,5 Millionen Menschen nicht mehr selbst ernähren können. Ebenso oft führt aber auch Hunger zu Kriegen und Bürgerkriegen um Ressourcen. Preissteigerungen von bis zu 70 Prozent bei Grundnahrungsmitteln wie Reis, Weizen und Mais sorgen in vielen Entwicklungsländern für Hungerkatastrophe und für Unruhen.

Die Hungerkrisen im Jahr 2088  wurde von vielen auf eine zu geringe Ertragssteigerung angesicht des hohen Bevölkerungswachstums von jährlich 75 Millionen Menschen zurückgeführt. Darüber verteuerten der drastisch gestiegene Ölpreis sowie hemmungslose Spekulationen auf den Weltmärkten die Nahrungsmittel extrem. Klimarelevante Faktoren sowie die gestiegene Nachfrage nach Biotreibstoffen verschärften diese Hungerkrise, da sie die Produktion von Nahrungsmitteln minderten. So kritisierte der IWF-Chef Dominique Strauß-Kahn die Umwandlung von Flächen zur Nahrungsmittelproduktion in Flächen für die Biokraftstoffproduktion als ein „Verbrechen an der Menschheit”.

Aber auch der wachsende Fleisch- und Milchkonsum (man rechnet mit einer Verdopplung der Nachfrage bis zum Jahr 2025) bedeutet, dass Äcker zu Viehweiden umgewandelt werden, die in Kalorien gerechnet jedoch wesentlich weniger Ertrag bringen.

Auswege aus der Krise?

Die Hungerkrise am Horn von Afrika 2006 bedrohte gemäß Schätzung der FAO 2006 etwa 11 Millionen Menschen

Im Hinblick Ernährungs- und Hungerkrisen ist die Liste von diskutierten Lösungsansätzen lang. Sie reichen von einer Öffnung der Märkte des Südens, der Importsubventionierung durch Entwicklungshilfegelder, Privatisierungen, einer Reduktion der Handelbarrieren der Industrieländer, Abbau der Agrarexport-Subventionen der Industrieländer, einer Förderung und Stärkung von Kleinbauern (bspw. durch die Verbesserung der ländlichen Infrastruktur, technische und finanzielle Hilfe etc.), dem Verbot von Nahrungsmittelspekulationen bis hin zur Forderung nach einer neuen „Grünen Revolution” mithilfe der Biotechnologie.

Einigkeit besteht weitestgehend darin, dass Finanzspritzen das Problem allenfalls kurzfristig lösen. Eine Lösung mit Hilfe einer zweiten „Grünen Revolution“, wie sie primär von Agrarkonzernen vorgeschlagen wird, wird von vielen Nicht-Regierungs-Organisationen kritisch gesehen. Mit dem Einsatz von patentgeschützten Düngern, Pestiziden und Hybridsaatgut können Bauern ihre Ernteerträge zwar kurzfristig steigern, geraten aber gleichzeitig langfristig in eine erneute Abhängigkeit von Agrar- und Lebensmittelkonzernen, von den Folgen für die Artenvielfalt ganz abgesehen.

Die Ernährungskrise – Eine Krise der Entwicklungsstrategen

Fest steht, dass die Auslöschung von Hunger nicht nur die Erfüllung des Grundrechts auf Nahrung bedeutet, sondern ein Schritt in Richtung Frieden, politische Stabilität, Entwicklung und Wohlstand bedeuten würde.

Die Ergebnisse der von der UN-Agrarorganisation FAO ausgetragenen UN-Konferenz zur Welternährungssicherheit im Juni 2008 wurden von den meisten Nicht-Regierungsorganisationen und auch von einigen afrikanischen Präsidenten öffentlich als enttäuschend kommentiert. In der Abschlusserklärung heißt es unter anderem, dass Investitionen in die Landwirtschaft notwendig sind um die Nahrungsmittelproduktion zu fördern und eine Ernährungssicherheit der Entwicklungsländer zu gewährleisten. Für viele Kritiker ist das jedoch ein Paradox, angesichts der Tatsache, dass die Landwirtschaft für viele Kleinbauern ohne eine entsprechende Handelspolitik der Industrieländer, die den Abbau der Exportsubventionen einschließen würde, langfristig keine Zukunft hat. Auch die Europäische Union subventioniert immer noch Agrarimporte in ärmere Länder und verschärft damit die Armutssituation der Menschen. Keine Einigung erzielten die Teilnehmer der Konferenz in Hinblick auf den Umgang mit Biotreibstoffen, den Klimawandel oder faire Handelsbedingungen. Aufgrund der mangelnden Einigung hinsichtlich grundlegender Themen, ist für viele Kritiker fraglich, inwiefern ein politischer Wille der Industrieländer gegeben ist, um Hunger auch langfristig zu bekämpfen.

Quellen und Links

  • Feeding Minds, Fighting Hunger, Food and Agriculture
  • Organization of the United Nations (FAO),  Food and Agriculture
  • Organization of the United Nations (FAO), The State of Food Insecurity in the World 2006 (2006).
  • Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO)/ IFAD/World Food Programme (2002), Reducing Poverty and Hunger: The Critical Role of Financing for Food, Agriculture and Rural Development.
  • Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) (2010), FAO News (pdf)
  • Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) (2010), Hunger Statistics
  • FAO: The State of Food Insecurity in the World (pdf) (2010), (2013)
  • Welthungerhilfe (2005), Hunger. Ausmaß, Verbreitung, Ursachen, Auswege.
  • World Food Programme (WFP), www.wfp.org
  • World Hunger Education Service, World Hunger Notes
Lebensmittelverschwendung

In Deutschland landen jährlich rund 20 Millionen Tonnen oft noch genießbarer Lebensmittel im Müll. Die Aktualität des Themas geht jedoch weit über die Grenzen der Bundesrepublik und auch Europas hinaus. Lebensmittelverschwendung ist ein globales Problem - weltweit wird etwa die Hälfte der produzierten Nahrungsmittel verschwendet.

Das Phänomen Armut

Negative Trends wie steigende Lebensmittelpreise, Krankheitsepidemien oder klimatische Veränderungen ziehen vor allem für eine Gruppe von Menschen verheerende Konsequenzen nach sich: für die Menschen, die arm sind. Betroffen davon ist ca. ein Fünftel der Weltbevölkerung. Angesichts dieser Tatsache gilt die Bekämpfung von Armut als eine der zentralsten und schwierigsten Herausforderungen unserer Zeit.

Der Fluch natürlicher Ressourcen: Trotz Rohstoffreichtum bettelarm

Die Demokratische Republik Kongo, Nigeria, Sierra Leone, Liberia, Angola, der Tschad. Länder, die über große Rohstoffvorkommen verfügen, aber weit davon entfernt sind, Armut und Hunger im eigenen Land zu überwinden. Der Reichtum an Öl, Kupfer oder Edelsteinen könnte eine Quelle für Entwicklung sein. Statt Wohlstand grassieren in diesen Ländern in der Realität jedoch Krieg und Gewalt. Der Reichtum wird zum Fluch. Keine zufällige Erscheinung.