Bedingungsloses Grundeinkommen – wie ist das zu denken?

Das Geld, welches heute schon im Sozialsystem kursiert, könnte so ausgegeben werden, dass jeder aus Steuern ein die Lebensgrundbedürfnisse deckendes Grundeinkommen erhält, unabhängig davon, ob er arbeitet oder nicht, ob er arm ist oder nicht. Was genau verbirgt sich hinter der Idee des Grundenkommens?

Autor*in Jenny Louise Becker, 15.09.08

In einer Zeit, in der erwerb-bringende Arbeit nicht mehr staatlich zu gewährleisten ist und immer mehr Menschen, statt aus Lohnabhängigkeit befreit, in unwürdige soziale und wirtschaftliche Abhängigkeiten getrieben werden (Hartz IV, Kombilohn), hätte so jeder ein Einkommen, auch wenn er durch die Automatisierung und Rationalisierung in Produktion und Verwaltung aus der Arbeit entlassen wird.

Außerdem hätte jeder die Möglichkeit, frei von Existenzsorgen diejenigen Arbeiten zu übernehmen, die er – angesichts der sich immer mehr verschlechternden Lage im Sozialen, in Wissenschaft und Bildung, auf dem Sektor der Kunst, der Umwelt, der Gesundheit, der Erziehung, der Kultur – selbst für sinnvoll hält.

Ein neuer Gesellschaftsvertrag:

Da JEDER das Geld erhalten soll, ist klar, dass es sich beim bedingungslosen Grundeinkommen nicht um eine neue „Sozialleistung“ handelt. Bedingungsloses Grundeinkommen ist weder „Hartz-IV-light“ noch „Hartz-IV-total“.
Die Idee beinhaltet einen neuen Gesellschaftsvertrag, der alle gesellschaftlichen Glieder umfasst und allen gesellschaftlichen Gliedern Vorteile bringen soll.

Gewisse Grundlagen in den Geldläufen der Gesellschaft werden so geändert, dass die allgegenwärtigen Rationalisierungsmaßnahmen in  Wirtschaft und Verwaltung sich positiv für Wohlstand und Beschäftigungslage der Gesellschaft auswirken und nicht in soziale Katastrophen führen. 

Was würde die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens ändern?

Das ältere Recht auf Arbeit wird durch ein allgemeines, arbeits-unabhängiges Recht auf Existenz ersetzt. Jeder erhält dazu aus den Steuereinnahmen des Staates ein die Lebensgrundbedürfnisse deckendes Einkommen – unabhängig davon, was er macht oder wieviel Geld er hat. Das führt dazu, dass die sozialstaatliche Gängelung wegfällt und sich der Sinn des Arbeitens ändert: Nach Einführung eines bedingungslos an alle ausgegebenen Grundeinkommens geht es beim Arbeiten nicht mehr um die Sicherung der Existenz – diese ist dann ja durch das Grundeinkommen gesichert – sondern wesentlich bedeutsamer: um den Sinn der Arbeit selbst und damit verbunden: um Steigerung der Lebensqualität – sei dies die eigene oder die der Gemeinschaft.

Sozial ist nicht mehr, was Arbeit schafft, sondern, was Einkommen schafft – und damit die Freiheit, das zu tun, was man selbst für nötig und für richtig hält (in Wirtschaft, Umweltschutz, Erziehung, Sozialem, Bildung und Kultur).

Vorteile für Arbeitnehmer:

  • Arbeitsplätze müssen so eingerichtet werden, dass sie dem Sinnbedürfnis und einer Erhöhung von Lebensgefühl und Lebensqualität der Menschen entsprechen.
  • Niemand kann mehr auf Grund einer Notlage ausgebeutet und zu sinnlosen, entwürdigenden Arbeiten gezwungen werden.
  • Arbeitgeber müssen um Arbeitnehmer werben.
  • Jeder Zuverdienst ist für den Arbeitnehmer frei verfügbares Vermögen:
    Es muss nicht zur Finanzierung der Lebensgrundbedürfnisse eingesetzt (diese sind durch Grundeinkommen finanziert), sondern kann in freier Weise für Konsum, Dienstleistung, Kultur verwendet werden.

Vorteile für Arbeitgeber:

  • Hohe Motivation der eingeworbenen freien Mit-Arbeiter. 
    Dadurch Steigerung der Effizienz und Produktivität des Unternehmens.
  • Das eigene Grundeinkommen und das der Familie ist gesichert.
  • Der Arbeitgeber muss bei der Entlohnung nicht mehr die Lebensgrundbedürfnisse der Mitarbeiter finanzieren. Diese sind durch Grundeinkommen finanziert.
  • Personalintensive (dienstleistungs-) Arbeit im Sozialen, in der Bildung, im Umweltschutz, in Kunst und Kultur kann endlich geleistet werden, weil nicht mehr der Lebensunterhalt sondern nur noch der gesellschaftlich bedeutsame „Wert“ der erbrachten Leistung bezahlt werden muss.
  • Produzierende Betriebe dürfen rationalisieren (Effizienzsteigerung). Sie entlassen ihre Menschen in eine sich entwickelnde „Kulturlandschaft“ und nicht mehr ins „soziale Nichts“.
  • Das Volk hat Kaufkraft.

Gesamtgesellschaftliche Vorteile:

  •  Jeder wird freigestellt, das zu tun, was er selbst für richtig hält.
  •  Unnötig gewordene Arbeiten können, wie es der Logik der modernen Entwicklung entspricht, endlich sozialverträglich abgeschafft werden. Dadurch wird Potential für neue Arbeitsfelder frei.
  • Durch Verbesserung der allgemeinen Motivationslage und Änderung der Lohnstruktur wird der Wirtschaftsstandort Deutschland wieder attraktiv. Dem Angebot an Waren und Dienstleistungen steht im Volke Kaufkraft gegenüber.
  •  Familien werden unterstützt: Kinder bringen das Geld für ihren Lebensunterhalt durch das Ihnen gewährte Grundeinkommen gewissermaßen mit. Eltern können frei entscheiden, in welchem Umfang und in welcher Rollenverteilung sie dem „Arbeitsmarkt“ oder den Kindern zur Verfügung stehen.
  • Studium, Aus- und Weiterbildung sind jederzeit möglich, da die Lebensgrund-haltungskosten gedeckt sind.
  • Ältere Menschen geraten auch bei unzureichenden Rentenansprüchen nicht in Not, dürfen Geld hinzuverdienen und hinzuerhalten und bleiben von sozialstaatlicher Gängelung ihrer Lebensführung frei.
  • Selbstständigkeit und neue Initiativen werden unterstützt: Man muss durch seine Arbeit nicht mehr den eigenen Lebensunterhalt, sondern nur noch die Betriebskosten der erbrachten Initiative decken. Alles, was darüber hinausgeht, ist frei verfügbares Vermögen.

Das Geld für solche Umwälzung ist heute schon im Umlauf!

Heute wird es allerdings so ausgegeben, dass man die Menschen in immer größere Unfreiheiten bringt (Hartz IV, Kombilohn) und die Bevölkerung dabei verarmt.

Grundeinkommen – Ein Kulturimpuls: Ein Filmessay von Daniel Häni und Enno Schmidt

RESET dankt Ralph Boes (Bürgerinitiative bedingungsloses Grundeinkommen e.V.) für den Text.

Quellen und Links

Torge Peters
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