Radiance Light macht Satellitendaten lesbar – für alle

Wir werden ständig beobachtet - aus den Tiefen des Alls. Nein, das ist kein Artikel über Außerirdische, sondern über Satelliten. Oder konkret: wie wir ihre Daten frei zugänglich machen und so für den Umweltschutz einsetzen können.

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 21.03.19

Lautlos ziehen sie ihre Bahn über uns, manchmal deutlich sichtbar durch die Reflektion des Sonnenlichts. Schon 2016 umschwirrten über 1.400 Satelliten unseren blauen Planeten. Ihre Aufgaben sind vielseitig: Als Rundfunksatelliten übertragen sie Radio- und Fernsehprogramme direkt an die Zuschauer, sodass erdgebundene Sende- und Kabelnetze entfallen, als Navigationssatelliten ermöglichen sie die weltweite Positions- und Zeitbestimmung und sogar die automatische Steuerung von Fahrzeugen; und militärische Satelliten dienen, wie der Name schon sagt, der Überwachung, Verteidigung und anderen militärischen Zwecken. Nicht zuletzt gibt es auch Erdbeobachtungssatelliten, die Datenmaterial für hauptsächlich wissenschaftliche Zwecke liefern. Sie arbeiten mit verschiedenen Techniken, zum Beispiel mit Radar, Infrarot, Scanning-Methoden, Sensorik oder sie schießen Fotos.

Im Prinzip sind diese wissenschaftlichen Satellitendaten kostenlos verfügbar. Doch das heißt nicht, dass damit auch einer breiten Öffentlichkeit automatisch die Informationen zugänglich sind – die Daten lassen sich nicht einfach herunterladen. Eine neue Webanwendung des Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam (GFZ) soll das zumindest für Satellitenbilder der Erde bei Nacht ändern „Ich schätze, dass es mindestens einen Tag Arbeit bedeutet, wenn ein Laie versucht, ohne unsere Anwendung die Entwicklungen der Lichtemissionen für eine bestimmte Region zu analysieren“, sagt Christopher Kyba vom GFZ in Potsdam in einer Pressemitteilung des Forschungszentrums. „Neben dem Herunterladen der Daten ist für die Auswahl einer Region und deren Analyse Spezialwissen über Software für geografische Informationssysteme erforderlich.“ Die Webapp heißt Radiance Light Trends und zeigt Veränderungen der Lichtemissionen weltweit. Damit kann jede*r mit Internetverbindung einfach eine Region oder einen Standort auswählen, die dort seit 1992 von Satelliten beobachteten Entwicklungen der nächtlichen Lichtemissionen analysieren und so in weniger als einer Minute eine Grafik mit Lichttrends erhalten. Erstellt wurde die Entwicklung im Rahmen des im EU-Programm Horizon 2020 geförderten Projekts GEOEssential.

Lichtverschmutzung – worum geht´s?

Lichtemissionen, auch Lichtverschmutzung genannt, benennen den Mangel an Dunkelheit durch zu viele, sehr helle Lichtquellen des Menschen. Vor allem Städte weltweit erstrahlen nachts in hellem Schein und dehnen sich über Adern aus Licht aus. Was aus dem All ein beeindruckendes Bild ist, hat jedoch einen störenden Einfluss auf die biologischen Tag-Nacht-Zyklen vieler Tiere, stellt ein erhebliches Problem für die Navigation oder Orientierung nachtaktiver Insekten und auch für Zugvögel dar und erschwert vielerorts astronomische Beobachtungen des Nachthimmels. Insofern handelt es sich bei der Lichtverschmutzung um eine Form der Umweltverschmutzung. Während verschmutzte Meere, Böden oder Lufträume dafür sorgen, dass diese Orte für viele Spezies nicht mehr bewohnbar sind, so hat auch das Schwinden von Gebieten, deren einzige Lichtquelle Gestirnen darstellen, negative Folgen.

Ohne belastbare Daten ist es für viele Umwelt- und Regierungsbehörden nicht möglich, die Auswirkungen von Veränderungen auf unseren Planeten, sei es durch Urbanisierung, Landwirtschaft, Industrie, Witterungsverhältnisse oder eben Lichtverschmutzung, vollständig und umfassend zu beobachten. Viel zu oft stehen veränderungswilligen Mitarbeiter nur lokale Beobachtungen sehr kleiner Gebiete zur Verfügung; Probleme in anderen Teilen der Welt werden nicht gemeldet und nicht erkannt, bis es zu spät ist.

„Mit Radiance Light kann man die Entwicklung der Lichtverschmutzung für nahezu jeden Standort und jede Region der Welt berechnen lassen“, erklärt Christopher Kyba. „Nimmt man zum Beispiel ein Gebiet um Berlin und startet die Analyse, wird man sehen, wie viel heller es in den letzten Jahren geworden ist. Das Besondere daran ist: Neue Satellitendaten werden automatisch in die Datenbank eingepflegt und bei der Berechnung berücksichtigt. Das ist besonders für interessierte Bürgerinnen und Bürger, im Umweltschutz Tätige oder Medien nützlich, aber auch für Kommunalverwaltungen und Unternehmen, die Beleuchtungsmaßnahmen planen. Die Anwendung könnte auch für die Analyse von Naturgefahren und die Planung oder den Wiederaufbau von Infrastrukturen hilfreich sein.“

Die Web-App Radiance Lights schöpft die Daten von zwei Satellitensystemen ab, die in den letzten Jahrzehnten von verschiedenen Regierungsbehörden der USA betrieben wurden: dem Operational Linescan System der DMSP-Satelliten (Defense Meteorological Satellite Program) und das „Day/Night Band“ des Instruments Visible Infrared Imaging Radiometer Suite (VIIRS DNB). Für die Anzeige der Satellitendaten bei „Radiance Light Trends“ stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung: Man kann zum Beispiel eine farbkodierte Projektion der Lichtmesswerte mit Jahres- oder Monatsdaten auf einer Erdkarte erstellen oder einen Rahmen beziehungsweise ein Polygon um ein Gebiet von Interesse zeichnen, um eine Zeitreihe mit Lichtdaten für mehrere Jahre auf monatlicher Basis zu erhalten. Die Daten können auch problemlos in verschiedenen Formaten exportiert werden.

Weltrettung aus dem All

An dem Thema, Satellitendaten nutzbar zu machen, sind auch andere dran: Das deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) will maschinelle Lernalgorithmen, bekannter unter dem Kürzel KI, mit hochauflösenden Satellitenbildern kombinieren, um schnell und präzise auf Bodenveränderungen auf der ganzen Welt zuzugreifen – und zwar dann, wenn noch etwas getan werden kann. Mehr dazu in unserem Artikel: Deutsches Forschungsprojekt: KI soll Bodenschäden erkennen, bevor es zu spät ist.

Und der 2017 gestartete Satellit Sentinel-5P ist eine Zusammenarbeit zwischen drei europäischen Nationen im Rahmen des EU-Programms Copernicus Earth-Monitoring. Der Satellit verfügt über einen Spektrometer, das Tropomi (TROPOspheric Monitoring Instrument), das die Erdatmosphäre durch ultraviolette- (UV), sichtbare- (VIS), nahe- (NIR) und kurzwellige Infrarot- Spektren ((SWIR) scannen kann und so eine breite Palette von Schadstoffen, wie z.B. Ozon, Methan, Kohlenmonoxid und Schwefeldioxid, mit bisher unerreichter Auflösung und Genauigkeit aufdeckt. Mit diesen Informationen können NGOs und staatliche Institutionen Schadstoffproduzenten mit direkten Beweisen für Umweltschäden an anderen Orten in Verbindung bringen und Maßnahmen einleiten. Ausführlich hier: Satelliten entlarven Schwefeldioxid-Verschmutzer aus dem All

Webapp soll auch andere Satellitendatensätze zugänglich machen

Auch das Team hinter Radiance Light Trends plant seine Anwendungsbereiche auszuweiten:

„Es gibt keinen Grund, warum eine ähnliche Anwendung nicht für Temperaturmessungen, für Daten des arktischen Meereises oder eine Vielzahl anderer Umgebungsvariablen entwickelt werden könnte. Wir planen deshalb auch, den „Radiance Light Trends“ zugrundeliegenden Code in Kürze unter einer Lizenz freizugeben, die es anderen ermöglicht, ihn wiederzuverwenden“, so Christopher Kyba.

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