Lobbypedia ist eine Plattform des Vereins Lobby Control und soll über Verflechtungen von Wirtschaft, Politik und Interessengruppen aufklären. Ein erster Blick auf die neue Seite.
Mit Lobbyismus ist das so eine Sache: Es geht darum, Interessen zu vertreten, was erstmal okay ist und zur Demokratie dazu gehört. Nur, dass die einen dafür Millionen-Etats und weitverzweigte Netzwerke mobilisieren können und die anderen nicht. Da fängt das Problem an. Und dass in dem Dschungel aus Denkfabriken, Agenturen, Instituten, ihren Auftraggebern und Aktivitäten kaum noch jemand durchsieht – Zur Demokratie gehört aber, dass man weiß, wie es zu Entscheidungen gekommen ist und wer beteiligt ist. Wie Lobbyisten Einfluss auf die Gesetzgebung gewinnen, hat z.B. Marco Bülow, ehemals umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, vor kurzem sehr lesenswert am Beispiel der Gesetzgebung zur CO2-Speicherung beschrieben.
Der Kölner Verein Lobby Control setzt sich seit einigen Jahren für Transparenz auf diesem Gebiet ein und hat jetzt Lobbypedia gestartet, um dort Daten und Fakten zum Thema zu versammeln. Schon am Donnerstag ist die Seite online gegangen, doch gleich nach dem Start und der damit verbundenen Medienresonanz brach der Server zusammen. Ein etwas verpatzter Start, aber mittlerweile ist man umgezogen und die Seite läuft halbwegs stabil.
In anderen Ländern gibt es ähnliche Projekte schon länger: SourceWatch in den USA und PowerBase in Großbritannien sind die Vorbilder. Verglichen damit sieht es bei Lobbypedia noch sehr übersichtlich aus: Viele der Artikel sind noch unvollständig, vieles fehlt ganz – für eine vierköpfige Redaktion trotzdem schonmal ein beachtliches Ergebnis. Für’s erste hat man sich auf drei Themenfelder konzentriert und dort bereits einiges zusammengetragen: zur Bau- und Immobilienlobby bei Stuttgart 21, zur Finanzlobby in der Bankenkrise sowie über sogenannte „Seitenwechsler”. Damit sind Politiker und Experten gemeint, die in die Wirtschaft gehen. Weil dadurch für einige Wenige ein privilegierter Zugriff auf Insiderwissen und Netzwerke der Seitenwechsler entsteht, fordert Lobby Control eine Karenzzeit für Seitenwechsler. Neben Einträgen zu Lobby-Organisationen und relevanten Akteuren gibt es auch chronologische und Überblicksartikel. Schaubilder und Grafiken fehlen allerdings leider nahezu komplett.
Im Unterschied zur Wikipedia, wo – zumindest theoretisch – jeder mitschreiben kann, ist es bei Lobbypedia aber nicht ganz so leicht, mitzumachen. Der Leser soll zwar Einträge auf einer eigenen Seite diskutieren können (was bei mir irgendwie nicht funktioniert). Um Einträge zu bearbeiten und neu anzulegen, muss man sich aber erst einmal mit Lobby Control in Verbindung setzen. Im Interview bei Telepolis meinte Projektleiter Elmar Wigand dazu: „Meine Befürchtung ist, dass ohne redaktionelle Kontrolle Lobbyisten der Finanzbranche und Verschwörungstheoretiker die Plattform stören würden.”
Sicherlich ein berechtiger Einwand: ohne jede Hürde könnte man wahrscheinlich auch gleich Popcorn kaufen und sich die Edit Wars auf der Plattform ansehen. Im Moment fallen allerdings selbst die Hinweise zum Mitmachen nicht besonders ins Auge.
Wenn die Lobbypedia wächst, könnte sie aber tatsächlich eine Lücke füllen. Bücher und Texte zum Thema gibt es viele – doch eine schnell erschließbare und übersichtliche Anlaufstelle für spezifische Fragen fehlt. Angekündigt ist auch, in Zukunft eine anonyme Schnittstelle für Whistleblower, also für Leute, die Verschluss-Sachen öffentlich machen, anzubieten. Insgesamt ein sinnvolles Projekt – mal schauen, wie es sich entwickelt.