ESA kündigt ehrgeizige neue Erdbeobachtungsmissionen mit Satelliten an

Die Sentinel-Satelliten sind sehr unterschiedlich. Der Sentinel 6-A-Satellite ist erst seit kurzem im Orbit..

Die Europäische Weltraumorganisation ESA plant weitere, sehr ambitionierte Satellitenmissionen. Die neu gewonnenen Messdaten sollen dazu beitragen, dringende ökologische Herausforderungen zu bewältigen. Aber können die Pläne auch verwirklicht werden?

Autor Mark Newton:

Übersetzung Mark Newton, 05.01.21

Die ESA ist seit jeher führend in der Erdbeobachtungstechnologie, vor allem mit ihrem Copernicus-Programm, das aus einer Vielzahl von Sentinel-Satelliten besteht. Im November 2020 hat die Weltraumorganisation nun neue Verträge für die nächsten drei geplanten Copernicus-Satelliten unterzeichnet, bei denen die bisherigen Erfahrungen in eine neue Generation von Satelliten einfließen sollen.

Insgesamt sind sechs neue Sentinel-Satellitenfamilien zur Erweiterung des Europäischen Copernicus-Programmes geplant, die im Laufe des nächsten Jahrzehnts entwickelt und gebaut werden sollen. Sie sollen die Fähigkeiten der bereits vorhandenen „Sentinels“ ergänzen und Lücken beim Bedarf der Nutzenden von Copernicus-Satellitendaten schließen. Derzeit betreibt die Raumfahrtbehörde sechs Sentinel-Missionen, die jeweils aus einem Satellitenpaar bestehen. Die aktuellen Missionen decken ein breites Spektrum an Aktivitäten ab, darunter Satellitenbilder, Kartierungen und atmosphärische Messungen. Die neue Generation geplanter Satelliten soll jedoch die Lebenszeichen der Welt noch genauer unter die Lupe nehmen, vor allem was den Klimawandel und die Zerstörung von Lebensräumen betrifft.

Die sechs Satelliten der jüngsten Ankündigungen werden in drei neue Missionen aufgeteilt, die den Namen CHIME (Copernicus Hyperspectral Imaging Mission for the Environment), LSTM (Land Surface Temperature Monitoring) und CIMR (Copernicus Imaging Microwave Radiometer) tragen.

CHIME, das von Thales Alenia Space France für 455 Millionen Euro entwickelt wird, dient der detaillierten hyperspektralen Bestimmung von Vegetations- und Bodeneigenschaften (Spektroskopie des reflektierten Sonnenlichts). Die Informationen werden Dienste für ein nachhaltiges Landwirtschafts- und Biodiversitätsmanagement unterstützen sowie bei der Analyse der Bodenbeschaffenheit helfen.

Die LSTM-Mission, die an Airbus Spanien vergeben wurde, wird ebenfalls bei der Überwachung der landwirtschaftlichen Bedingungen behilflich sein, indem aktuelle Informationen bei zunehmender Wasserknappheit und Veränderungen in Umwelt und Klima zur Verfügung gestellt werden. LSTM trägt ein Instrument, welches Daten im thermischen Infrarot in räumlicher und zeitlicher Auflösung aufzeichnen kann, was die genaue Beobachtung der Landoberflächentemperatur erlaubt.

Die CIMR-Mission, die von Thales Alenia Space Italien gebaut wird, hat ein innovatives Mikrowellen-Radiometer an Bord, das die Meeresoberflächentemperatur, die Meereiskonzentration und den Salzgehalt der Meeresoberfläche aus dem Weltraum erfasst. Zusätzlich soll der Satellit andere Meereisparameter wie die Dicke und die Meereisdrift beobachten. Die CIMR-Mission ist eine Antwort auf die wichtigsten Anforderungen der arktischen Nutzergemeinschaften und soll die integrierte Politik der EU für die Arktis unterstützen.

In den letzten Jahren haben sich Satelliten zu einem wichtigen Instrument entwickelt, da die großangelegte Erfassung unseres Planeten wichtige Informationen für Forschung und Politik liefert, die unter anderem auch beim Umweltschutz unterstützen. Das Sentinel-Programm der ESA stellt seine Daten frei und kostenlos zur Verfügung und die Messwerte werden sowohl von international Forschenden, aber auch von vielen kommerziellen und nichtstaatlichen Organisationen genutzt. In den letzten Monaten haben wir mit RESET eine Vielzahl an Projekten vorgestellt, die die Daten der großen Satellitenmissionen im Umwelt- und Klimaschutz einsetzen, zum Beispiel bei der Überwachung von Wildtieren, zur Unterstützung humanitärer Missionen und bei der Aufrechterhaltung der Verantwortlichkeit von Unternehmen.

Zu viel zu früh?

© ESA

Ein entscheidender Vorteil der Satellitentechnologie gegenüber traditionellen Forschungsmethoden ist ihre Fähigkeit, einen Überblick über die klimatischen Bedingungen unseres Planeten zu liefern. Früher wurden in-situ-Methoden der Informationsbeschaffung, wie zum Beispiel der Einsatz von Forschungsschiffen oder Sensoren, verwendet, um die gleichen Messwerte zu erhalten, die jetzt von Satelliten geliefert werden. Obwohl die Ergebnisse auf lokaler Ebene genauer sein mögen, ist es oft schwierig zu sehen, wie solche Messwerte in ein globales und zusammenhängendes Ökosystem und die Atmosphäre passen. Satelliten bieten die Möglichkeit, genau diese Zusammenhänge mit zunehmender Genauigkeit und ohne zusätzlichen logistischen Aufwand zu erfassen – was insbesondere auch für kleinere, gemeinnützige Akteure von Vorteil ist.

Dutzende von Hightech-Satelliten in den Weltraum zu schießen, ist jedoch kein günstiges Unterfangen, und trotz der jüngsten Ankündigungen ist die Zukunft von Sentinel nicht vollständig gesichert. Derzeit sind die Projekte bis Ende nächsten Jahres finanziert, danach werden sich die ESA und die Europäische Kommission treffen, um die Finanzen im Detail zu bewerten. Wenn sie sich als nicht kosteneffektiv erweisen, könnten einige der Missionen gestrichen oder zurückgeschraubt werden.

Obwohl das Copernicus-Programm der ESA in der Vergangenheit von den Mitgliedsstaaten überfinanziert wurde, die das Forschungs- und strategische Potenzial der Erdbeobachtungstechnologie eifrig verfolgten, sieht das diesjährige Budget ein wenig schlanker aus. Nach den neuesten Schätzungen wurde das Projekt von den Mitgliedsstaaten mit 4,8 Milliarden Euro ausgestattet, etwa zwei Milliarden weniger als gewünscht. In diesem Sinne ist es unklar, ob es alle von der ESA geplanten Satelliten ins All schaffen werden.

Trotz dieser mangelnden Resonanz – die vielleicht teilweise auf die Unsicherheit der Mitgliedsstaaten bezüglich der anhaltenden Coronavirus-Pandemie zurückzuführen ist – wird das Copernicus-Programm weiter ausgebaut. Am 21. November 2020 wurde bereits mit dem Start des Sentinel 6-A-Satelliten in Zusammenarbeit mit Space X der Startschuss für eine neue Mission gegeben, die die Tiefen der Ozeane rund um den Globus genau vermessen will. Und die ESA gibt sich optimistisch: „Trotz der Herausforderungen im Zusammenhang mit COVID-19 ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir weiterhin neue Raumfahrttechnologien entwickeln und weiterhin Satelliten entwerfen, bauen und starten, die zu neuem Wissen und neuen Dienstleistungen führen, die letztlich der gesamten Menschheit zugutekommen”, sagt Josef Aschbacher, ESA-Direktor für Erdbeobachtung.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Sarah-Indra Jungblut. Das Original erschien zuerst auf unserer englischspachigen Seite.

Dieser Artikel ist Teil des Dosssiers „Satelliten und Drohnen – Wertvolle Helfer für eine nachhaltige Entwicklung“. Alle Artikel des Dossiers findest du hier: Dossier Satelliten und Drohnen

Das Dossier ist Teil der Projekt-Förderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), in deren Rahmen wir vier Dossiers über zwei Jahre zum Thema „Chancen und Potenziale der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung“ erstellen.


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© ESA
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