„Es mangelt in Uganda nicht an Lösungen. Die Schwierigkeit liegt im Zugang dazu“

Wie kann ein besserer Zugang zu energiesparenden Technologien für ländliche Gebiete Ugandas geschaffen werden? Das Non-Profit ENVenture setzt genau hier an – unsere RESET-Redakteurin hat sich vor Ort umgehört.

Autor*in Jasmina Schmidt, 20.02.19

Übersetzung Jasmina Schmidt:

Wer das Innovation Center im Stadtteil Ntinda in Kampala besucht, könnte denken, sich in einem hippen Co-Working-Space in Berlin-Mitte zu befinden. Bunte Wände mit Zeichnungen, ein Fahrrad, das als Deko über dem Empfang am Eingang hängt. Und natürlich die obligatorischen Tischreihen, die ein gemeinsames Arbeiten über Firmen- und Projektgrenzen hinaus ermöglichen. Kamapala ist der Startup-Hotspot Ugandas und das Innovation Center ist einer der Orte, in dem das sehr sichtbar wird. Viele der jungen Unternehmen fokussieren sich auf Fintech, das sich seit der Etablierung von Mobile Money immer größerer Beliebtheit erfreut. Mit Investitionen setzt sich auch ENVenture auseinander, allerdings auf eine etwas andere Art. RESET-Redakteurin Jasmina Schmidt hat mit Julius Mujuni, dem Country Manager Uganda von ENVenture, darüber gesprochen, wie man energiesparende Technologien am besten in ländliche Gemeinden bringen kann.

Julius, was macht ENVenture und wie habt ihr angefangen?

ENVenture wurde von Aneri Pradhan gestartet, die zuvor bereits für die UN-Stiftung gearbeitet und dabei einige Energieunternehmen in Uganda unterstützt hatte. Bei einem ihrer vielen Besuche in den Dörfern Ugandas stellte sie fest, dass viele Menschen Produkte wie energiesparende Kochherde wollten. Außerdem gab es viele lokale Organisationen in diesen Gemeinden, die daran interessiert waren, diese Produkte an die Gemeinden zu verkaufen. Die größte Schwierigkeit solcher Organisationen bestand jedoch darin, dass ihnen die Finanzen dafür fehlten. Es mangelt nicht an Lösungen, um die Energieprobleme in Uganda zu bewältigen. Davon gibt es viele. Die Schwierigkeit liegt im Zugang zu den Lösungen. Zum Beispiel Solarprodukte: Sie sind vor allem in Kampala weit verbreitet, aber viele Menschen in den Dörfern verfügen nicht über diese Produkte.

Woran liegt das? Städte wie Kampala sind ja zu einem großen Teil an das Stromnetz angeschlossen.

Das liegt daran, dass viele der Unternehmen, die diese Produkte verkaufen, es vorziehen, in städtischen und stadtnahen Gebieten zu arbeiten. Wenn man sich die lokale Wirtschaft anschaut, sind die meisten Dörfer auf die Landwirtschaft angewiesen und deren saisonbedingten Herausforderungen ausgesetzt. Wenn man also ein Geschäft betreibt und dort Produkte verkauft, wird man etwa sechs Monate sehr gute Einnahmen und sechs Monate eben sehr niedrige Einnahmen durch Verkäufe haben. Und doch hat man über den ganzen Zeitraum konstante Kosten: Man muss die Miete und seine Mitarbeiter bezahlen. Viele der Unternehmen befürchten daher, dass es wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, Geschäfte in abgelegenen Gebieten zu haben. Und dennoch haben wir in diesen Dörfern bereits Community-basierte Organisationen (CBOs) und viele andere potenzielle Partner, die solche Produkte verkaufen können.

Was macht also ENVenture anders, um energiesparenden Technologien in Gegenden zu bringen, die erst einmal nicht so attraktiv wirken?

Zunächst hat ENVenture diese Herausforderungen verstanden und dann nach Organisationen Ausschau gehalten, die bereits tief in den Gemeinden verwurzelt sind und diese Produkte verkaufen können. In den ersten drei Jahren waren wir eher ein Pilotprojekt, bis wir 2016 Unterstützung von DFID (Anm. d. Red.: Department for International Development, eine britische Entwicklungsorganisation) und Unilever erhielten. So konnten wir uns vergrößern. Wir haben mit sechs CBOs angefangen und unterstützen jetzt über 80. Jede CBO steht für einen Shop mit energiesparender Technologie in einem sehr abgelegenen Dorf in Uganda.

Welche Produkte werden dabei angeboten?

Wir fördern vier Produktarten: Solar, Briketts – Briketts als Ersatz für Holzkohle und Brennholz –, Kochherde und nichtelektrische Wasserfilter. Viele Menschen betrachten die Wasserfilter als WASH-Produkt (Anm. d. Red.: Wasser und Hygiene), weil sie Wasser reinigen. Aus der ENVentures-Perspektive sehen wir sie jedoch als ein sauberes Energieprodukt, da die Menschen normalerweise Brennholz benutzen: Sie fällen einen Baum, nehmen das Brennholz und kochen Wasser, um es zu reinigen. Wenn sie jedoch über einen solchen Wasserfilter verfügen, werden weniger Bäume abgeholzt und verbrannt. Die Filter bestehen aus einem Tontopf mit sehr kleinen Löchern, der das Wasser reinigt.

Nun haben unterschiedliche Gemeinden natürlich auch unterschiedliche Bedürfnisse Im Grunde tun wir also Folgendes: ENVenture stellt die Finanzen für die CBOs bereit, die die Läden besitzen. Bevor sie die Finanzen als Kredit erhalten, müssen sie ihre Märkte verstanden haben. Aber viele von ihnen haben keine Recherchekompetenzen, sie haben noch nie zuvor Geschäfte gemacht. Deshalb stellen wir ihnen „Business Fellows“ bereit. Diese kommen oft aus Europa, den USA oder sind aus Uganda. Sie sind Studierende, die gerade einen Abschluss gemacht haben, oder Menschen mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund. Wir senden sie für drei Monate zu einer der CBOs, um diese beim Aufbau des Shops zu unterstützen. So betreiben sie beispielsweise Marktforschung, um herauszufinden, welche Produkte die Gemeinde benötigt. Sobald sie das herausgefunden haben, investiert die CBO das Geld, beginnt mit dem Verkauf und zahlt ENVenture den Kredit innerhalb von zwölf Monaten zurück.

Das ist ein interessanter Ansatz, denn bei Mikrofinanzierungen besteht das Problem oft darin, dass die Leute nicht wissen, wie sie den Kredit zurückzahlen können. Das führt oft zu Schwierigkeiten und einem Teufelskreis, in dem mehr Mikrokredite aufgenommen werden, um den alten Kredit zurückzuzahlen…

Wir versuchen, all diesen Herausforderungen zu begegnen, weil viele dieser Leute nicht wissen, wie sie Geschäfte machen können. Wenn wir ihnen also nur das Geld geben und sie nicht über die Fähigkeiten und Wissen verfügen, wie man ein Geschäft führt, wird das Geld für andere Dinge ausgegeben. Wir versuchen, sie in das richtige „mindframe“ zu bringen, in dem sie Geld respektieren und gute Geschäfte machen können. Nur damit können wir wirklich nachhaltige Energiesysteme aufbauen. Und die meisten Banken tun das leider nicht.

Wie wählt ihr die CBOs aus, mit denen ihr zusammenarbeitet?

In den Gemeinden oder auf Distriktebene gibt es sogenannte NGO-Foren. Die meisten CBOs schließen sich diesen Foren an und dort promoten wir, was ENVenture macht. Wenn die CBOs zu uns kommen, haben wir eine Liste von Dingen, die wir von ihnen erwarten. Sie müssen zum Beispiel seit mehr als fünf Jahren bestehen. Viele Leute fragen uns: Warum arbeitet ihr nicht einfach mit einzelnen Entrepreneurs zusammen, um die Geschäfte aufzubauen? Wir richten uns aber speziell CBOs, weil diese den Shop wahrscheinlich nicht schließen werden. Sie sind schon lange in den Gemeinden und haben in den Dörfern eine Art Gemeindearbeit geleistet und werden respektiert. Oft vertrauen die Menschen den Produkten nicht und nehmen sie deshalb nicht an. Aber die CBO hat eben oft schon sehr gute Arbeit in der Gemeinde geleistet, sie hat Vertrauen gewonnen. Wir haben also eine lange Liste von Dingen, die CBOs erfüllen müssen. Haben sie bestimmte Kontobücher? Haben sie ein richtiges Team? Wie qualifiziert ist das Team?

Was siehst du persönlich als den größten Erfolg, den ENVenture mit den Projekten hatte?

Wir haben eine gute Anzahl von CBOs, vielleicht etwa zehn, die sehr gute Shops betreiben und die den anfänglichen Kredit von bis zu 2.000 Dollar übertreffen konnten. Sie haben den Kredit zurückgezahlt, kamen zu uns zurück und wir haben ihnen mehr Geld von anderen Geldgebern bereitgestellt. Wir versuchen, mit anderen Partnern zusammenzuarbeiten, die an Investitionen in unsere CBOs interessiert sind. Das zum einen. Zum anderen haben wir mit CBOs zusammengearbeitet, die sehr erfolgreich waren bis zu dem Punkt, dass sie mit den Erträgen aus den Energie-Shops nun andere Projekte gestartet haben. Zum Beispiel gibt es eine CBO mit dem Namen Initiative Uganda, die jetzt wiederverwendbare Damenbinden herstellen. In Uganda fehlen viele Mädchen oftmals in der Schule, wenn sie ihre Periode haben. Die Damenbinden, die es gibt, sind meist sehr teuer. Die Mädchen bleiben also fünf bis sechs Tage zu Hause, bevor sie wieder zur Schule gehen. Diese CBO stellt die Binden aus sehr einfachen Materialien her und sie können immer wieder verwendet werden.

Danke für das Gespräch, Julius!


Übrigens: Um den CBOs weitere Unterstützung beim Management ihrer Geschäfte zu helfen, hat ENVenture auch die App ENVision entwickelt. Obwohl mobiles Internet im Vergleich zu anderen Ländern in Uganda relativ günstig ist, sind diese kleinen Summen doch manchmal schlicht und einfach nicht erschwinglich für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Deshalb funktioniert die App, sobald man sie heruntergeladen hat, auch problemlos offline. Sie soll helfen, Verkäufe und Inventar im Überblick zu behalten, Ratenzahlungen von Kunden zu managen und dient als Kundendatenbank. Damit soll die App den CBOs, die meist keinen betriebswirtschaftlichen Hintergrund haben (und im Grunde auch allen anderen Interessenten), vereinfachen, über ihre Geschäfte Buch zu führen. Ein weiterer Pluspunkt: ENVenture hat einen besseren Überblick über den Impact, den ihre Förderungen erzielen.

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