Wie nachhaltig ist das Unternehmen, bei dem ich gerade online bestellen möchte? Manchmal lässt sich hierauf schnell eine Antwort finden, z.B. bei Marken-Kleidung, die in Bangladesch produziert wurde. In den meisten Fällen ist jedoch aufwändige Recherche nötig. Greenwasher haben es leicht, schlecht informierten Verbraucher falsche Fakten zu liefern und diese zu täuschen. Häufig gibt es so viele Faktoren zu berücksichtigen, dass viel Aufwand notwendig ist, um die Auswirkung einer Kaufentscheidungen nachvollziehen zu können.
Earth Ratings möchte genau hier ansetzen. Das kostenlose Webbrowser-Plug-in für Chrome und Firefox bietet Online-Käufern eine schnelle Übersicht: Welche sozialen Auswirkungen hat mein Produktkauf? Wie sehr wird die Umwelt belastet? Wie innovativ ist das Produkt? Welche Qualität darf ich erwarten? RESET traf sich mit Carsten Roland, dem Gründer von Earth Ratings,um zu erfahren, wie seine App funktioniert und warum sie die Regeln des alltäglichen Konsumverhaltens neu schreiben könnte.
„Die Nutzer werden dies ermöglichen oder eben nicht – das macht für mich den Wert aus“
Carsten demonstriert uns die App. Nach dem Herunterladen des Plug-ins von der Website erscheint das Symbol von Earth Ratings in der Adressleiste des Browsers. Als Testseite rufen wir Amazon auf. Da sich die App noch im Aufbau befindet, wählen wir einen Artikel, der sich bereits in der Datenbank von Earth Ratings befindet und häufig bestellt wird: einen Kopfhörer der Firma Sony. Sobald man hier auf das kleine ER-Symbol geht, zeigt ein Dropdown-Menü drei Zahlen in rot, gelb und grün an: 20 Prozent für die Umwelt, 43 Prozent für die sozialen Auswirkungen und 90 Prozent für die Qualität.
„Wenn die Daten nicht angezeigt werden, kann man eine Anfrage zur Erfassung dieser Daten stellen“, erklärt Carsten. Aufgrund der Teamgröße sei es zurzeit zwar schwierig eine große Datenbank aufzubauen, die Daten, die jedoch vorhanden sind, seien gut und umfassend recherchiert, zudem von Drittanbietern unterstützt. Earth Ratings arbeitet mit „Rankabrand“ zusammen, einem niederländischen Non-Profit-Unternehmen, das die Nachhaltigkeit von Unternehmen weltweit untersucht.
„Selbst Menschen, die nachhaltige Produkte kaufen möchten, reagieren ungeduldig auf die fehlenden Informationen. Nur wenige Menschen interessieren sich für die Besonderheiten der angegebenen Daten, die meisten wollen einfach bloß wissen, ob das angebotene Produkt gut oder schlecht ist.“ Um diesem Wunsch nach einem Minimum an Aufwand nachzukommen, hat Carsten das Earth-Ratings-Plug-in mit seinem Team einfach und übersichtlich gestaltet.
Das schlanke Design bringt einen ersten Erfolg: Nachdem die ersten 15 Testnutzer gebeten wurden, ihre gewünschten Produkte und Einkaufspräferenzen einzureichen, damit die besten Optionen für jeden von ihnen ermitteln konnte, „hat jeder Nutzer seine Kaufentscheidung aufgrund der zusätzlichen Informationen geändert“ – auch deshalb, weil Carsten auf personalisierte Profile Wert legte, waren die Testnutzer bereit, nachhaltig zu kaufen, selbst wenn das Produkt teurer war.
Ermutigt durch diesen Trend entschied sich Carsten dafür, das Plug-in mit einer Personalisierung zu versehen – Nutzer können wählen, welche Kriterien ihnen am wichtigsten sind: „Wenn Nutzer angeben, dass ihnen die Produktqualität am Wichtigsten ist und die Auswirkungen auf die Umwelt eher hintergründig bei der Kaufentscheidung bewertet werden sollen, dann wird das Plug-in nicht anzeigen, dass das falsch ist. Wenn der Kunde denkt, dass Nachhaltigkeit bedeutet, das Produkt zu kaufen, das am langelebigsten ist, dann ist das in Ordnung. Wir geben nur eine Empfehlung ab.“
„Wir haben das Ziel, mit unserer Entwicklung den Verbraucher-Mainstream zu erreichen.“
In Zukunft wird Earth Ratings mehr Daten anbieten, zum Beispiel auch den Standort des Produktes anzeigen. Dabei wird zusätzlich berücksichtigt, wie weit der Weg des Produktes ist – vom Rohstoff bis zum Lager beispielsweise – und wie einfach das Produkt recycelt werden kann. Und neben einem direkten Vergleich möchte Earth Ratings verschiedene Marktplätze innerhalb der App – wie z.B. die produkteigene Website – bewerben, auch um Nutzer von Einzelhandelsriesen wie Amazon wegzuführen.
Investoren für diese Sache zu gewinnen, gestaltet sich allerdings schwierig: „Es macht für sie keinen Sinn.“ Obwohl Earth Ratings für eine öffentliche Finanzierung in Frage kommt, ist der Prozess der Finanzierung langwierig und bürokratisch. „Deshalb machen wir ein Crowdfunding, um die zweite Version zum Laufen zu bringen.“
Mit Earth Ratings möchte Carsten „die Barrieren überwinden, die Menschen daran hindert, bewusstere Konsumenten zu werden“. Es gilt Markenwerte für Produkte schaffen, die sicher, transparent und ethisch einwandfrei hergestellt werden. „Wenn du weißt, dass der Sneaker, den du kaufen möchtest, entweder durch Zwangsarbeit hergestellt wird, oder aber durch jemanden, der dir ein Selfie schickt und sagt: ‚Das ist mein Arbeitsplatz und ich liebe ihn!‘ – Das ist es, wovon ich rede!“
© Earth Ratings Adrià Grau (links) und Carsten Roland – die beiden Gründer von Earth Ratings.
„Ich habe endlich etwas gefunden, das Sinn macht“
Earth Ratings möchte Aufklärung leisten, denn Verbraucher werden über die positiven und negativen Auswirkungen der meisten Marken im Unklaren gelassen. Nachhaltigkeitsberichte sind „unglaublich schwierig und zu technisch, um sie zu verstehen“– auch deshalb hat sich Carsten entschieden, Earth Ratings zu gründen.
Über einen Umweg fand Carsten seinen Weg: Während seiner Karriere in der Finanzbranche machte er die Erfahrung, dass die Menschen dort nur „Dollarzeichen jagten“. Er war nach eigener Aussage „nie wirklich davon überzeugt, dass dahinter ein Geschäftsmodell stand, das Sinn machte“ und begann deshalb, sich in Richtung Nachhaltigkeit und CSR neu zu orientieren.
„Ich habe ein so komfortables Leben. Ich brauche kein schickes Auto – es würde mich nicht glücklich machen. Das würde es wirklich nicht! Es gibt Menschen, die Bildung und sauberes Wasser brauchen.“
Das Crowdfunding von Earth Ratings läuft von jetzt an bis zum 14. Juni. Auf der Website kannst du spenden und mehr zu dem Projekt erfahren.
Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Thorge Jans. Das Original erschien zuerst auf unserer englischsprachigen Seite.