Making Sense: Mit diesen Sensoren können Bürger*innen Umweltbelastungen aufdecken

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Die Sensoren von Making Sense ermöglichen es Stadtbewohnern die Bedingungen in ihrer direkten Umgebung zu überwachen.

 „Smart Cities“ sind in aller Munde – aber wer ist eigentlich verantwortlich für die Konzeption? Mithilfe von Open-Source-Sensoren können Bürger die intelligenten Städte der Zukunft mitgestalten.

Autor Mark Newton:

Übersetzung Mark Newton, 07.06.18

In der Vergangenheit waren es oft große Konzerne und Unternehmen, die die Führung bei der Konzeption von „Smart City“-Großprojekten übernommen haben. Große Bauunternehmen entwickeln die Wohnblöcke der Zukunft, aber auch Automobilriesen wie BMW wollen sich an dem Entwurf einer modernen Verkehrsinfrastruktur beteiligen.

Mithilfe ihrer monetären Mittel und ihrer Geschäftskraft können solche Großunternehmen die Agenda intelligenter Städte zwar maßgeblich vorantreiben; dass sie die Konzeption so stark dominieren, könnte allerdings auch dazu führen, dass die Stimmen der Bewohner der Städte nicht ausreichend gehört und beachtet werden. Glücklicherweise gibt es seit einigen Jahren eine Graswurzelbewegung, die das ändern will – und es gibt auch schon erste Ergebnisse.

Intelligente Städte mit  Sinn

Making Sense, eine von der EU finanzierte NRO mit Sitz in Amsterdam, hat die letzten zwei Jahre daran gearbeitet, die Bürger mehrerer europäischer Städte zu befähigen, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.

Die Organisation konzentrierte sich zunächst auf die Produktion verschiedener Sensoren, die es den Stadtbewohnern ermöglichen sollten, die Umweltbedingungen ihrer Städte zu überwachen. Ausgerüstet mit diesen Daten können sich die Basisaktivisten dann an die Stadtverwaltung wenden und ihre Forderungen und Anträge mit harten Fakten untermauern, zu denen sie vorher keinen Zugang hatten.

So ist zum Beispiel in Barcelona, basierend auf der Plattform von Making Sense, ein spezielles Projekt entstanden, dessen Ziel es ist, die Lärmbelästigung in einer der beliebtesten Party-Gegenden der Stadt zu bekämpfen. In den letzten Jahren hat sich die Plaza del Sol in Barcelona zu einem Anziehungspunkt für junge Leute entwickelt, die bis in die frühen Morgenstunden feiern wollen. Einerseits trägt dies natürlich zu einer lebendige Atmosphäre in der Gegend bei, andererseits bringt die Beliebtheit der Plaza aber auch viel Lärm, große Mengen an Abfall und schlaflose Nächte für diejenigen, die um den Platz herum leben.

Ein Fertigungslabor in Barcelona nutzte die Open-Source-Hardware von Making Sense und verteilte Sensoren an die Bewohner der Gegend, die diese auf Balkonen und Fensterbänken platzierten. Sie fanden dadurch heraus, dass der Lärmpegel des Platzes nachts häufig 100 Dezibel erreichte. Das entspricht in etwa dem Geräusch eines Presslufthammers – und liegt weit über den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation.

Dadurch, dass die Einwohner ihre Beschwerden mit harten Daten untermauerten, konnten sie die lokale Regierung dazu bringen, Maßnahmen zu ergreifen: Ab 23 Uhr werden die Nachtschwärmer zum Weitergehen bewegt und der Platz wird umgebaut, um ihn für die Bewohner zugänglicher zu machen. Neben dem Projekt in Barcelona gab es außerdem Tests zur Überwachung der Luftverschmutzung in Amsterdam und Prishtina.

Für den Kopf hinter dem Barcelona-Experiment, Tomas Diez, soll das Konzept von Making Sense nicht einfach mit Sensoren enden, er sieht es vielmehr als Rückgrat einer neuen urbanen, gemeindebasierten Wirtschaft. Im Gespräch mit der BBC sagte Diez:

„Wir versuchen, ein neues Produktivitätsmodell für die Gesellschaft aufzubauen und eine neue nachhaltige Wirtschaft in Städten zu schaffen, in denen die Menschen ihre Ideen entwickeln und testen können. Wir wollten diesen Top-Down-Ansatz beenden, bei dem sich Städte an Unternehmen wenden und sie bitten, Infrastruktur zu bauen und dann so zu tun, als wäre das eine intelligente Stadt.“

Letztlich sieht Diez eine solche Open-Source-Software und -Hardware als Hebel einer neuen, digitalen „bürgernahen Infrastruktur“, in der die Bewohner intelligenter Städte ihre eigenen Lebensmittel anbauen oder sogar selbst Produkte mithilfe von 3D-Druck herstellen können. Dies gäbe nicht nur Handlungsmacht an den Einzelnen zurück, sondern könnte auch die Umwelt entlasten, da sie unsere Abhängigkeit von industriell hergestellten und transportierten Gütern verringert.

Bestärkt durch den Erfolg in Barcelona hat sich Diez einer großen, weltweiten Gruppe angeschlossen, die ihr Graswurzel-Konzept der Datenerhebung auf Städte in der ganzen Welt ausweiten will, unter anderem in China, Indien, Europa und Nordamerika.

Dieser Artikel ist eine Übersetzung von Lydia Skrabania. Das Original erschien auf unserer englischen Seite.

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